Brief 40
An die Schüler, mögen sie leben
Ich habe ein Telegramm von …. bekommen, dass wir gewonnen haben. Lasst uns hoffen, dass wir auch den Krieg der Neigung gewinnen werden; dass wir auch hier Erfolg haben und das bekannte Ziel erreichen werden, dem Schöpfer Freude zu bereiten.
Die Zeit ist bereits gekommen, vorwärts zu schreiten, unserem heiligen Ziel entgegen, wie mutige Helden. Und der gepflasterte Weg, der zum Ziel führt, ist wie bekannt die Liebe zu Freunden, über die man zur Liebe zum Schöpfer gelangt. Die Liebe geht über „kauf dir einen Freund“. In anderen Worten, durch Taten kauft man das Herz des Freundes. Denn auch wenn man sieht, dass das Herz des Freundes wie Stein ist, ist dies dennoch keine Rechtfertigung, und wenn man fühlt, dass dieser sich eignet, ein Freund für die Arbeit zu sein, dann muss man ihn durch Taten erwerben.
Denn jedes Geschenk, das er seinem Freund macht, ist wie eine Kugel, die eine Aushöhlung in einem Stein hinterlässt; auch wenn die erste Kugel nur einen Kratzer im Stein hinterlässt, hinterlässt die zweite Kugel, die den Stein an derselben Stelle trifft, bereits eine Kerbe, und die dritte macht ein kleines Loch. Und ein Geschenk zeichnet sich dadurch aus, dass jemand weiß, dass der Freund es genießen wird, ob in Wort, in Gedanken oder in der Tat. Weil jedoch jedes Geschenk offenbart sein muss, damit der Freund davon Kenntnis bekommt, kann der Freund, wenn es sich um Gedanken handelt, nicht wissen, dass man an ihn gedacht hat.
Deswegen ist auch die Sprache vonnöten: Man muss ihm sagen, dass man an ihn denkt und sich um ihn sorgt. Auch hier muss es etwas sein, was der Freund liebt, was süß für den Gaumen des Freundes ist. Wenn also jemand keine sauren Sachen mag, sondern Süßes, kann man seinen Freund nicht mit sauren Sachen verköstigen, sondern eben mit süßen Sachen, denn die liebt der Gaumen seines Freundes. Daraus müssen wir verstehen, dass etwas für den einen unwichtig, aber für den anderen von außerordentlicher Wichtigkeit sein kann.
Durch die Kugeln, mit denen er wiederholt trifft, entwickelt sich das kleine Loch, und es entsteht eine Aushöhlung im steinernen Herzen des Freundes, in dem sich alle Geschenke sammeln; und aus jedem einzelnen Geschenk entsteht ein Funken der Liebe, bis sich alle Funken der Liebe in der Aushöhlung im steinernen Herz sammeln und eine Flamme bilden. Denn der Unterschied zwischen einem Funken und der Flamme besteht darin, dass da, wo Liebe ist, eine Offenbarung nach außen ist, also eine Offenbarung für alle Völker, dass die Flamme der Liebe in ihm lodert. Und die Flamme der Liebe verbrennt alle Vergehen, welchen man unterwegs begegnet.
Und solltet ihr fragen, was kann man machen, wenn jeder selbst spürt, dass er in Bezug auf das Gefühl des Freundes ein steinernes Herz hat? Vergebt mir, dass ich schreibe: „Jeder fühlt, dass er ein steinernes Herz hat“, ich meine, außer jenen Freunden, die selbst wissen und fühlen, dass ihrerseits kein Widerstand dagegen besteht, dass der Freund sie liebt und ihnen Geschenke gibt (und das nicht unbedingt durch eine Tat, sondern zumindest in schönen und guten Worten und besonderer Aufmerksamkeit für ihn allein). Ich meine nur jene, die spüren, dass ihr Herz in Bezug auf die Liebe ihrer Freunde sehr kühl ist, oder, dass sie ein Herz aus Fleisch hatten, aber die Kälte vonseiten der Freunde auch sie beeinflusste, und dies reiche dem Verstehenden; und auch ihre Herzen sind zu Stein erfroren.
Der Rat ist sehr einfach, denn die Natur der Flamme ist, dass wenn man Steine aneinander reibt, eine Flamme entsteht. Und dies ist die große Regel, dass man „von Lo Lishma (nicht in Ihrem Namen) zu Lishma kommt, und zwar exakt dann, wenn die Tat Lishma ist, also dem Freund ein Geschenk zu bereiten, und nur die Absicht Lo Lishma ist.
Denn ein Geschenk macht man nur jemandem, von dem man weiß und kennt, dass dieser einen liebt. Die Absicht der Schenkung ist somit eine Art Dankbarkeit für die Liebe, die der Freund einem schenkt. Wenn man jedoch einem Fremden ein Geschenk macht, wenn man also nicht fühlt, dass der andere dem eigenen Herzen nahe steht, dann hat man nichts, wofür man sich erkenntlich zeigen kann, und die Absicht ist dann Lo Lishma, also… Absicht, die sein muss. Hier liegt es nahe, dies als „Almosen“ zu bezeichnen. Denn hier bedauert er diesen Menschen, weil er sieht, dass es niemanden gibt, der mit ihm spricht und ihn freundlich grüßt, also tut er das. Dafür gibt es ein Gebet, dass der Schöpfer ihm helfen möge, die Liebe seines Freundes zu spüren und dass der Freund seinem Herzen nahekommen möge. Durch die Tat wird er sodann auch der Absicht würdig.
Während der Tat beabsichtigte der Geber jedoch, dass das Geschenk, das er seinem Freund gibt, nur Almosen sein sollten (auch wenn er seinem Freund Zeit schenkt, was dem Menschen manchmal teurer als sein Geld ist, wie es geschrieben steht: „Der Mensch sorgt sich um Knappheit an Geld, nicht aber um die Knappheit seiner Tage.“ In Bezug auf die Zeit jedoch hat jeder einen eigenen Wert, weil es Menschen gibt, die ein Geldstück pro Stunde verdienen, und solche, die mehr oder weniger verdienen; so gilt auch in Bezug auf ihre Spiritualität, wie viel Spiritualität man pro Stunde erwirbt etc.); dann sagt er über sich aus, dass seine Absicht nicht der Liebe der Freunde gilt, also nicht zum Zweck hat, dass sich durch das Zutun die Liebe zwischen ihnen mehrt.
Nur wenn beide das Geschenk und nicht Almosen im Sinne haben, stoßt jeder durch die Reibung der Herzen, auch wenn es Felsenberge sein mögen, Wärme aus den Wänden seines Herzen, und die Wärme entzündet Funken der Liebe, bis sich daraus die Kleidung der Liebe formt. Dann bedecken sich beide mit der gleichen Decke, eine einzige Liebe umringt und ummantelt sie also, denn es ist bekannt, dass Dwekut (Anhaftung) zwei Dinge zu einem Ganzen vereint.
Und während der Mensch beginnt, die Liebe seines Freundes zu spüren, erwachen in ihm Freude und Genuss. Denn dies ist die Regel: Eine Neuerung ist unterhaltsam. Dass der Freund ihn liebt, ist nämlich eine neue Sache für ihn, da er immer weiß, dass nur er allein für sein Wohl sorgt, und dass es ihm gut gehe. Sobald er aber entdeckt, dass sein Freund sich um ihn sorgt, erweckt dies maßlose Freude in ihm, und schon kann er nicht mehr für sich selbst sorgen, denn der Mensch kann nur da Anstrengungen unternehmen, wo er Genuss verspürt. Da er jedoch beginnt, es zu genießen, für seinen Freund zu sorgen, hat er keinen Raum mehr, um sich um das Eigene zu kümmern.
Wir sehen, dass es in der Natur eine „Liebe bis zur Selbstaufgabe“ gibt. Und wenn du fragen willst, wie es möglich sein soll, dass durch die Liebe im Menschen der Wunsch erwacht, die eigene Existenz zu negieren? Dazu kann man nur eine Erklärung anbringen, wie es heißt „die Liebe bringt aus der Reihe“, dass es also irrational ist, also aus der Reihe fällt.
Nur dann, wenn es eine solche Liebe gibt, geht jeder durch eine Welt, die durch und durch gut ist, und er fühlt, dass der Schöpfer seinen Anteil gesegnet hat, und dann „haftet sich Gesegnet an Gesegnet“ (der Gesegnete an den Gesegneten), und er wird der Anhaftung an den Schöpfer in alle Ewigkeit würdig.
Durch Liebe ist der Mensch bereit, all seine Existenz zu annullieren. Wir wissen, dass sich der Mensch im Allgemeinen in zwei Wesensarten aufteilt: Die Existenz sowie die Aufrechterhaltung der Existenz. Existenz heißt, dass der Mensch sich als Chissaron (Mangel/Defizit) und als Willen zu genießen wahrnimmt. Aufrechterhaltung der Existenz heißen der Genuss und die Freude, die er bekommt, von denen sich der Körper ernährt und sich aufrechterhalten kann und ohne die er sich zerstören und aus der Welt schwinden muss. Das bedeutet der Vers: „…welche Gott schuf“, also die Existenz, und der Zusatz „…um zu tun“ – die Aufrechterhaltung der Existenz.
Die Aufrechterhaltung der Existenz teilt sich in drei Arten auf:
1) die Notwendigkeit, ohne welche die Existenz negiert wird. Der Mensch muss also mindestens einmal am Tag trockenes Brot mit einem Glas Wasser einnehmen, und einige Stunden auf der Bank schlafen, ohne sich auszuziehen, und zwar auch nicht zu Hause, sondern draußen, auf der Straße oder im Feld, und wenn es regnet, kann er in irgendeiner Höhle schlafen, um nicht nass zu werden und sich nicht zu erkälten. Auch seine Kleider können Haderlumpen sein. Das reicht ihm jedoch, weil er nur seine Existenz aufrechterhalten will, und nichts, was darüber hinausgeht.
2) Nach der Art von gewöhnlichen wichtigen Bürgern: Ein Haus mit Möbeln und Ausstattung, respektablen Kleidern etc.
3) Wenn er Lust und Verlangen hat, den Reichen gleichzukommen, die viele Häuser und Diener haben, und schöne Möbel und schönes Geschirr. Auch wenn er das Gewünschte nicht erreichen kann, bleiben doch seine Augen und sein Herz darauf ausgerichtet, und all sein Hoffen ist, ein Leben im Überfluss zu erreichen, und er investiert viel Kraft und Energie und große Anstrengungen, nur um auf das Niveau der Reichen zu kommen.
In all diesen drei Weisen gibt es noch eine vierte Art: Wenn der Mensch genug für den Tag verdient hat, dann sorgt er sich nicht mehr um morgen, sondern jeder Tag gilt für ihn wie sein ganzes Leben, wie siebzig Jahre; und wie es die Natur des Menschen ist, sich um die 70 Jahre seines Lebens zu sorgen, dass er alles hat, was er für seine Existenz braucht, sich aber nach seinem Ableben nicht mehr sorgt; so gilt auch bei ihm ein Tag wie alle Jahre seines Lebens, und er denkt, dass er nicht mehr leben wird. Und wenn er am Tag darauf wieder zum Leben aufersteht, gleicht er jemandem, der über eine Wiedergeburt gekommen ist, und der nun korrigieren muss, was er in seinem vorherigen Leben kaputt gemacht hat. Wenn er also von jemandem Geld geliehen hat, dann hat er Schulden gemacht; in diesem Fall zahlt er am Tag darauf, also im zweiten Leben, zurück, und das gilt ihm als Verdienst. Hauptsächlich korrigiert er im nächsten Leben alle Schulden, die er gegenüber jemandem aufgenommen hat, oder die jemand ihm gegenüber aufgenommen hat. Auf die gleiche Weise gilt der Tag übermorgen als drittes Leben usw.
Nun will ich erklären, was ich oben angeführt habe, dass also der Mensch durch Liebe bereit ist, zu verzichten. Zuweilen hat der Mensch Liebe für den Schöpfer und ist bereit, auf die dritte Art zu verzichten, also auf das Leben im Luxus, weil er einen Teil der Zeit und der Energie dafür abzweigen will, dem Schöpfer einige Geschenke zu machen, um damit die Liebe des Schöpfers zu erwerben, wie ich es oben für die Liebe der Freunde erläutert habe. Gemeint ist, dass obgleich er noch keine Liebe für den Schöpfer hat, ihm als umgebendes Licht einleuchtet, dass es sich lohnt, die Liebe des Schöpfers zu erwerben.
Zuweilen fühlt der Mensch aber auch, dass er, um die Liebe des Schöpfers zu erwerben, bereit ist, wenn es vonnöten sein wird, auch auf die zweite Kategorie zu verzichten, also auf gutbürgerliches Leben, und nur vom Lebensnotwendigen zu leben.
Manchmal fühlt aber der Mensch so sehr das Ausmaß der Erhabenheit der Liebe des Schöpfers, dass er bereit ist, wenn es notwendig sein sollte, auch auf die erste Kategorie zu verzichten, also auf das Leben mit dem Lebensnotwendigen, auch wenn dadurch seine Existenz negiert wird, wenn er dem Körper nicht die Nahrung gibt, auf die dieser angewiesen ist.
Gelegentlich kommt es auch vor, dass der Mensch bereit ist, auf seine Existenz selbst zu verzichten, er will also seinen Körper opfern, um dadurch den Namen des Himmels vor der Allgemeinheit zu heiligen, sollte er Gelegenheit dazu bekommen. Wie Baal Sulam sagte, dass ein Mensch Rabbi Akiva folgen sollte, der sagte: „Mein ganzes Leben bedauerte ich und sehnte mich nach dem Vers ‚[Liebe den Schöpfer] mit deiner ganzen Seele’, wann ich die Möglichkeit bekommen würde, ihn zu erfüllen“.
Auf diese Weise werden wir verstehen, was die Weisen sagten: „Du sollst lieben (…) mit deinem ganzen Herzen – mit deinen beiden Neigungen. Mit deiner ganzen Seele – auch wenn Er deine Seele wegnimmt. Mit all deiner Kraft – mit all deinem Vermögen.“ Also wie oben beschrieben: Bei der ersten Stufe der Liebe handelt es sich um Aufrechterhaltung der Existenz, also die Sättigung des Körpers durch Besitz und Wohlstand; es geht also um den Verzicht auf die drei erläuterten Arten der Aufrechterhaltung der Existenz. Die zweite Stufe ist „mit deiner ganzen Seele“, also der Verzicht auf die Existenz selbst.
Das kann man mithilfe des guten Triebes erfüllen, also durch den Zwang – indem man seinen Körper begreiflich macht, dass es mehr Freude und Genuss bringt, dem Schöpfer zu geben und Freude zu bereiten, als sich selbst zu geben und Freude zu bereiten. Ohne Genuss und Vergnügen ist der Mensch jedoch nicht in der Lage, etwas auszurichten. Denn wenn ein Mensch sich selbst plagt, dann müssen wir zugeben, dass er dafür irgendeinen Genuss bekommt. Entweder verspürt er den Genuss während der Tat, oder er hofft – da die Leiden reinigen – auf einen wunderbaren Genuss im Nachhinein im Austausch für das Leid; dass er den Genuss in diesem Leben erlangt, oder er bezieht Genuss daraus, dass er glaubt, dass ihm Freude in der nächsten Welt zuteilwerden wird. Das bedeutet, er hat entweder Freude am inneren Licht oder am äußeren Licht, also der Zukunft.
Der Mensch darf aber nicht denken, dass er etwas ohne Genuss ausrichten kann. Es gibt jedoch viele Kategorien in Lishma, also im Geben (der Mensch muss es wissen): „Geben um zu geben“, also wenn er es genießt, dem Schöpfer zu geben, und „Geben um zu empfangen“, wenn er dem Schöpfer gibt, um davon etwas anderes zu bekommen, egal was, diese Welt oder nächste Welt, oder Erkenntnisse, oder hohe Stufen.
Der Mensch muss jedoch „geben um zu geben“: Daraus also, dass er dem Schöpfer gibt, wird er einen wunderbaren Genuss beziehen, und so ist er tatsächlich für diejenigen, die dessen würdig werden. Der Mensch muss den Schöpfer anflehen, ihm dieses Gefühl zu geben, Ihn aufgrund Seiner Erhabenheit zu lieben.
Wenn es ihm noch nicht zuteilwurde, muss er daran glauben und seinen Körper dazu zwingen, dass dies ein wunderbarer Genuss und von großer Wichtigkeit sei, und den Schöpfer aufgrund Seiner Wichtigkeit und Erhabenheit lieben. Doch eine Sache muss man wissen: Ohne Genuss ist der Mensch nicht in der Lage, etwas vollständig auszuführen.
Ich wiederhole: „Mit deinem ganzen Herzen – mit deinen beiden Neigungen“, der Mensch muss sich also in der Liebe des Schöpfers so weiterbilden, dass auch der böse Trieb einwilligt, Ihm zu geben.
Ich will meinen Brief angesichts der Heiligkeit des Shabbat kurz halten. Und ich denke, dass … Erklärungen zu den zwei Briefen erhalten können wird, die ich von ihm bekommen habe, und ich habe die Briefe sehr genossen. Und ich wundere mich über …. , der es gewohnt war, mir Briefe zu schreiben, und nun habe ich seit längerem keinen Brief von ihm erhalten; ich bitte um Nachricht bezüglich seines Wohlergehens und seiner Gesundheit. Und auch …. gebührt großer Dank für die Briefe, die ich ab und zu von ihm erhalte, und auch … für das Telegramm. Scheinbar kennt … meine Adresse nicht.
Euer Freund Baruch Shalom, Sohn von Baal Sulam