Genesis, 1:1-6:85
BeReshit - Begriffe| Zusammenfassung des WochenabschnittsBeReshit (Im Anfang) ist der erste Abschnitt der Tora (Pentateuch). Er erzählt, wie die Welt in sechs Tagen erschaffen wird und der Schöpfer am siebten Tag ruht. Es wird beschrieben, wie der „Mann“ erschaffen wird und in den Garten Eden kommt. Dort geht es auch um die Erschaffung der „Frau“ erschaffen und die Sünde am Baum der Erkenntnis, sowie die Geburten von Kain und Abel. Danach kommen die Generationen von Kain bis Lamech, sowie die zehn Generationen von Adam bis Noah und deren Verderben. Der Abschnitt endet mit der neuen Hoffnung durch die Geburt Noahs. KommentarBeReshit enthält mehr Geschichten als jeder andere Abschnitt der Tora. Zugleich ist er einer der tiefgründigsten, denn er behandelt den Ursprung unseres Seins – die Erschaffung der Seele. Die gemeinsame Seele wurde aus dem Verlangen geschaffen, Freude und Genuss zu empfangen, dem sogenannten „Verlangen zu empfangen“. Dieses Verlangen ist das Wesen der Seele. Es wird von sechs Eigenschaften beeinflusst: Chessed, Gwura, Tiferet, Nezach, Hod und Jessod. Diese Eigenschaften wirkten auf die Substanz, also den Willen zu empfangen, ein und formten ihn in Übereinstimmung mit der Höheren Kraft, dem Schöpfer. Der Mensch wird „Adam“ genannt, weil das Wort von Adame stammt und mit dem Vers Adame la Eljon („Ich werde dem Höchsten gleichen“, Jesaja 14,14) verbunden ist. Damit ist gemeint, dass Adam dem Schöpfer ähnlich ist – in seinem Streben nach Geben und Liebe, den Eigenschaften der Höheren Kraft, die ihn erschaffen hat. Adam ist also die Struktur der Seele, die in ihrer Form dem Schöpfer gleicht und in Dwekut (Anhaftung) mit Ihm im Garten Eden ist. Der „Garten“ steht für das Verlangen zu empfangen, das Wesen des Geschöpfes. „Eden“ bezeichnet die Stufe des Gebens, die Stufe von Bina. Adam, der sich auf dieser Stufe befindet, ist daher „im Garten Eden“. All dies bezieht sich nicht auf unsere materielle Welt, sondern auf die gemeinsame Seele, die der Schöpfer erschuf. Von Beginn an durchlief sie eine besondere Vorbereitung, die sogenannte „Sünde“. Denn bei ihrer Entstehung war die Seele Teil der Höheren Kraft. Das bedeutet: Sie hatte keine eigene Autorität, keine Unabhängigkeit und kein Bewusstsein ihrer selbst. Man könnte sagen, sie war wie ein Embryo im Mutterleib. Sie existiert, ist aber völlig eins mit ihrer Quelle, die jede ihrer Bewegungen bestimmt. So ist die Seele aufgebaut. Solange sie sich im „Garten Eden“ befindet, ist sie nicht eigenständig. Eigenständigkeit bedeutet, dass das Geschöpf beginnt, sich selbst zu bestimmen, anstatt völlig unter der Kontrolle seines Ursprungs zu stehen. Das Wort Niwra („Geschöpf“) kommt von Bar („außerhalb“). Damit die Seele wirklich zu einem eigenständigen Geschöpf werden kann, muss sie sich vom Schöpfer lösen, also das Gegenteil von Ihm werden. Diese Trennung, diese Gegensätzlichkeit, entsteht durch die „Sünde“. Die Bedeutung der SündeDie Seele besteht aus zwei Kräften: Kain und Abel. Abel möchte bestehen, indem er Hewel (Atem/Hauch) erhebt, also das „Zurückkehrende Licht“, die Kraft des Gebens. Kain ist das Gegenteil. Er will das ganze Licht, den ganzen Genuss, für sich selbst empfangen und nicht um des Schöpfers willen. Er zieht alles zu sich, bis Abels Kraft, das Verlangen zu geben, verschwindet. Dies wird als „Kain erschlägt Abel“ beschrieben. Das Kli (Gefäß) der Seele, das das Licht nicht um des Schöpfers willen empfängt, zerbricht in viele kleine, egoistische Verlangen. Jedes dieser Verlangen ist wie eine einzelne Seele, umgeben von einer Hülle, einer Klipa (Schale/Hülle). Während dieses Zerbrechens durchläuft die Seele viele Abstiege auf spirituellen Stufen. Schließlich gelangen wir in diese Welt, wo jeder Mensch ein Teil jener einen gemeinsamen Seele ist, die ursprünglich erschaffen wurde. Gerade weil wir heute durch unser Ego voneinander getrennt sind, weil wir mehr empfangen als geben wollen, haben wir nun die Möglichkeit zur Korrektur. Da unsere Seelen schon einmal in einem korrigierten Zustand waren, können wir heute beginnen, das damalige Zerbrechen und die „Sünde“ zu berichtigen. Auch wenn wir sie nicht selbst begangen haben, sind unsere Seelen fähig, die Korrektur auszuführen. Diese Korrektur nennt man „Umkehr“ (Teshuwa). Sie bedeutet die Rückkehr in den Zustand, in dem wir uns einst im Garten Eden befanden. Wir sollen uns beeilen, diesen Zustand zu erreichen, denn die Welt bewegt sich bereits in Richtung Verbindung. Es ist der Prozess, in dem wir alle erkennen, dass wir eine einzige Seele sind. Wenn wir uns im Geben und in gegenseitiger Liebe verbinden, kehren wir zu unserer ursprünglichen Form zurück – zu dem Zustand, den wir vor der Sünde im Garten Eden hatten – und erheben uns wieder über die Wirklichkeit dieser Welt. Unsere heutige Wirklichkeit besteht nur, solange wir im Verlangen zu empfangen gefangen sind. Sobald wir mit der Absicht zu geben haben, hat diese begrenzte Realität keinen Bestand mehr. Dann wird unser Dasein spirituell. Und wir kehren in jenen vollkommenen Zustand zurück, den wir hatten, bevor wir überhaupt erschaffen wurden. Fragen und AntwortenWas bedeutet „Schöpfung“ und was ging ihr voraus?Mit „Schöpfung“ ist die Erschaffung des Menschen und der Welt gemeint. Die Welt wurde fünf Tage vor dem Menschen erschaffen. Diese fünf Tage stehen für die Eigenschaften Chessed, Gwura, Tiferet, Nezach und Hod. Die sechste Eigenschaft, Jessod, vereint alle vorhergehenden in sich. Sie verbindet sie miteinander und bildet die Grundlage, also „Jessod“, für die Erschaffung des Menschen. Die Weisheit der Kabbala beschreibt auch Vorgänge, die der Erschaffung der Welt vorausgingen. Dazu gehören „Existierendes aus dem Existierenden“ und „Existierendes aus dem nicht Existierenden“. Diese beiden Kräfte bringen alle späteren Zustände hervor. Aus ihnen entstehen die vier Phasen des Direkten Lichts sowie die Welten Adam Kadmon und Azilut. Was bedeutet BeReshit („Im Anfang“ / Genesis)?In der Kabbala meint das Wort BeReshit („Im Anfang“) nicht den allerersten Akt der Schöpfung. Es zeigt vielmehr den Beginn eines Prozesses. Die Schöpfung begann mit zwei entgegengesetzten Kräften – Himmel und Erde. Der Himmel steht für die Eigenschaft des Gebens, die Erde für die Eigenschaft des Empfangens. Aus diesen beiden Eigenschaften entstehen alle weiteren Zustände und Formen des Geschöpfes. Was ist eine Seele?Die Seele ist ein Verlangen, das bereits korrigiert wurde – vom Verlangen zu empfangen hin zum Verlangen zu geben. Ihr ursprüngliches Wesen ist das Empfangen von Genuss. Doch der Mensch kann dieses Verlangen korrigieren, indem er lernt, für andere zu handeln. Wenn es nur zwei Kräfte gibt, wo ist dann alles andere?In der Natur gibt es tatsächlich nur zwei Kräfte: das Verlangen zu empfangen und das Verlangen zu geben. Alles andere sind lediglich Abstufungen und Verbindungen dieser beiden Kräfte. Daraus entstehen die vier Entwicklungsstufen: das Unbewegte, das Pflanzliche, das Tierische und das Sprechende. In unserer Welt erscheinen diese Kräfte als Positiv und Negativ, wie Elektronen und Protonen. Durch ihre verschiedenen Verbindungen entstehen alle Stoffe. Ein Teil davon bleibt unbewegte Materie; ein anderer entwickelt sich weiter zur pflanzlichen Stufe. Pflanzen können aufnehmen, abgeben und haben einen Stoffwechsel. Die nächste Stufe ist die tierische: Lebewesen, die sich als existierend wahrnehmen, sich bewegen und wachsen. Darauf folgt die Stufe des Sprechenden – der Mensch. Sie ist im Gedanken der Schöpfung einzigartig. Doch am Ende besteht alles, auf jeder Stufe, aus denselben Grundkräften – Elektronen und Protonen in unterschiedlichen Formen und Entwicklungszuständen. Was ist eine Frau und was ist ein Mann?Das Verlangen zu empfangen innerhalb der Seele wird „Frau“ genannt, und das Verlangen zu geben innerhalb der Seele wird „Mann“ (Gewer) genannt – vom hebräischen Wort Hitgabrut (Überwindung) –, weil er das Verlangen zu empfangen überwindet. In der Seele nennt man das Verlangen zu empfangen „Frau“, und das Verlangen zu geben „Mann“. Der „Mann“ wird im Hebräischen Gewer genannt, abgeleitet von Hitgabrut (Überwindung). Gemeint ist, dass die gebende Kraft das empfangende Verlangen überwindet. Was ist die Bedeutung und der Zweck der Geschickten in BeReshit?Die Geschichten in BeReshit sind nicht wörtlich zu verstehen. Es geht nicht um einen Mann, eine Frau, eine Schlange oder einen Apfel. In Wahrheit beschreiben sie innere Kräfte: das Verlangen zu empfangen und das Verlangen zu geben. Alles, was in diesem Abschnitt erscheint, sind Grundkräfte in uns selbst. Unsere Seele war ursprünglich eine einzige, ein Verlangen zu empfangen, erfüllt mit Licht. Sie war in vollkommener Übereinstimmung mit der gebenden Kraft, dem Licht, und befand sich daher auf der Stufe des Gartens Eden, auf der Stufe von Elokom (Schöpfer). Dies hat nichts mit unserer Welt zu tun, die wir heute mit unseren Sinnen wahrnehmen. Die Eigenschaften, von denen die Tora berichtet, sind Kräfte höherer Stufen. Die Seele steigt von dort stufenweise herab, jedoch nicht bis in unsere materielle Welt. Diese Abstiege sind eine Vorbereitung auf unseren heutigen Zustand. Aus dem Zerbrechen der Seele entwickelte sich das Ego, und von dort setzte unsere Entwicklung ein – bis in die Gegenwart. Bisher schien es, als hätten wir uns nur auf einer einzigen Stufe weiterentwickeln. Doch heute beginnen wir, uns in einer qualitativeren Weise, also spirituell, weiterzuentwickeln. Wenn wir das Negative in unserem Leben erkennen, spüren wir, dass es besser werden kann, dass es besser sein sollte und dass der bisherige Weg nicht zum Ziel führt. Deshalb studieren wir die Tora heute nicht nur als Geschichte, sondern als Anleitung, um unser eigentliches Ziel zu erreichen: die Rückkehr zu dem Zustand, den wir im Garten Eden hatten. Die vielen Krisen unserer Zeit zeigen uns, dass unser Ego uns in die Irre führt und dass eine Korrektur notwendig ist. BeReshit macht diesen Prozess sichtbar und zeigt, dass wir uns in einem unumkehrbaren Weg der Entwicklung befinden. Was ist der Unterschied zwischen unserer Zeit und der Zeit Noahs?Zur Zeit Noahs waren wir Menschen nicht so miteinander verbunden wie heute. Zwar waren wir schon damals egoistisch und auf unseren eigenen Vorteil bedacht, aber die Natur drängte uns nicht zu einer tiefen Verbindung. Jeder konnte im Grunde tun, was er wollte. Die Weisheit der Kabbala erklärt, dass wir mithilfe unseres Egos große Fortschritte gemacht und unsere Zivilisation aufgebaut haben. Doch heute ist dieser Weg an seinem Ende angekommen, auch wenn viele es noch nicht erkennen. Die Ressourcen der Erde werden knapp, und wir sind in ein weltweites Netzwerk eingebunden, das uns miteinander verbindet, ob wir wollen oder nicht. Wenn dieses Netzwerk nicht mehr funktioniert, erleben wir Krisen. Diese Krisen spüren wir in allen Bereichen: in Familie, Kultur, Bildung, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Wir haben das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Früher konnten wir der Welt unseren egoistischen Willen aufzwingen, doch heute stößt dieses Verhalten an Grenzen. Die Welt bringt uns dazu, einander ähnlicher zu werden und uns einander anzugleichen. Schritt für Schritt kehrt ein Zustand zurück, der einst im Garten Eden herrschte – ein Zustand gegenseitiger Bürgschaft und Verbundenheit. Im Garten Eden waren alle „wie ein Mensch mit einem Herzen“, wie eine einzige Familie, eine einzige Seele. Diesen Zustand müssen wir heute erneut erreichen. Doch im Moment sind wir dafür noch nicht bereit, weil wir innerlich gespalten und voneinander getrennt sind. Wie kann die Geschichte von Kain und Abel ein Vorbild sein?Die Geschichte von Kain und Abel ist kein Vorbild im positiven Sinne. Sie zeigt den Moment, in Adam widersprüchliche Kräfte auftauchen und ihn zur Trennung und schließlich zur „Sünde“ führen. Unser Auftrag besteht darin, zu dem Zustand zurückzukehren, der vor diesem Zerbrechen bestand. Die Entwicklungen, die wir heute durchlaufen, lenken uns genau in diese Richtung. Wir können diesem Prozess nicht entkommen. Das Leben wird uns so lange unter Druck setzen, bis wir nach einer Lösung suchen. Diese Lösung besteht darin, uns wieder dem Zustand der Unendlichkeit anzugleichen – jenem Zustand, in dem wir alle als Eins verbunden waren. Aus dem Sohar: Die Welt wurde in fünfundvierzig Farben und Arten von Licht unterteiltAdam haRishon folgte der Schlange nach und stieg hinab, um alles, was unten ist, zu erkennen. Er stieg herab, um das Leuchten der Linken von oben auf alles, was unten ist, bis zum Platz der fehlenden Malchut zu ziehen, wie die Schlange. Weil das sich durch den Siwug (Paarung, Kopplung) von oben nach unten ausdehnende Leuchten das Verbot des Baumes der Erkenntnis ist. Und weil er kam, um von oben nach unten auszudehnen, haftete er sofort an den Klipot (Schalen/Hüllen). Sohar für Alle, BeReshit, 2, Punkt 287 Ist die Schlange die Ursache allen Übels?Die „Schlange“ steht tatsächlich für die Ursache all unserer Probleme. Sie symbolisiert unsere egoistischen Gedanken und Verlangen andere auszunutzen. Diese Kraft steckt in jedem Menschen, ob wir es merken oder nicht. Doch dafür tragen wir keine Schuld. Unsere einzige Verantwortung liegt darin, uns nicht von dieser Natur beherrschen zu lassen. Wir leiden nicht, weil wir mit egoistischen Eigenschaften geboren wurden, sondern weil wir zu träge sind, sie zu korrigieren. Man kann es mit einem Kind vergleichen: Für seine angeborenen Eigenschaften trägt es keine Verantwortung. Aber wenn es später absichtlich nichts daran ändern will, obwohl es dazu in der Lage wäre, verändert sich die Bewertung durch die Gesellschaft. Genauso ist es mit uns. Was können wir heute tun?Wir können damit beginnen, die neue Welt zu verstehen, in der wir leben – eine Welt, in der vieles nicht mehr so funktioniert wie früher: Wirtschaft, Industrie, Handel, Familie und Bildung verändern sich grundlegend. Viele junge Menschen wissen heute nicht, was sie studieren sollen oder ob ein Studium überhaupt sinnvoll ist. Manche sind unsicher, ob sie eine Familie gründen möchten. Die Umgebung wirkt unklar, vieles erscheint verschwommen und unvorhersehbar. Eigentlich müssten wir die Natur beobachten und daraus lernen, was mit uns geschieht. Doch die meisten wollen davon nichts hören – aus Bequemlichkeit und aus Ego, der „Schlange“ in uns. Wir stehen vor einem großen Problem. Der Druck ist noch nicht stark genug, damit die Mehrheit versteht, welche Folgen uns erwarten, wenn wir uns nicht verändern. Deshalb müssen wir Wissen über diesen Wandel verbreiten und Bewusstsein schaffen, bevor die Menschen die Konsequenzen am eigenen Leib spüren. Wenn wir aus Einsicht handeln, bevor uns „Schläge“ treffen, verhalten wir uns wie kluge Kinder, die lernen, bevor sie leiden. Dazu müssen wir uns anstrengen, lernen und uns innerlich weiterentwickeln – sonst werden wir dazu gezwungen werden. Die Herausforderung betrifft jeden Einzelnen, denn wir sind alle miteinander verbunden. Je enger dieses Netz wird, desto deutlicher werden die Krisen. Ökonomen allein werden die globale Wirtschaftslage nicht lösen können. Nur durch Verbindung und gegenseitige Verantwortung kann sich die Welt zum Besseren wandeln. Gelingt uns das, können sich Wirtschaft, Arbeit, Gesundheitssystem und alle anderen Bereiche ordnen und verbessern. Ohne diese innere Haltung wird sich kein System zum Guten entwickeln. ZusammenfassungWir befinden uns tatsächlich in BeReshit, „im Anfang“. Immer mehr Forschung aus Soziologie und Sozialwissenschaft zeigt, dass die Menschheit beginnt zu erkennen, dass wir uns verbinden müssen. Diese Verbindung ist der einzige Weg, eine neue und korrigierte Welt aufzubauen, von der wir sowohl körperlich als auch spirituell profitieren werden. Darum beginnt das Jahr mit BeReshit, „Im Anfang“. Es enthält zugleich Anfang und Ende. In diesem Abschnitt – verschlüsselt im Wort BeReshit selbst – liegt der gesamte Prozess, den wir durchlaufen müssen und den wir letztlich auch durchlaufen werden. |