Genesis, 23:1-25:18
Chaje Sara - BegriffeZusammenfassung des Wochenabschnitts
Im Abschnitt Chaje Sara (Das Leben Sarahs) stirbt Sarah im Alter von 127 Jahren. Abraham trauert um sie und hält eine Rede zu ihrem Andenken. Er kauft von Ephron, dem Hethiter, ein Grundstück für vierhundert Silberstücke, um dort eine Familiengrabstätte zu haben. Er bestattet Sarah in der Höhle von Machpela bei Hebron.
Abraham möchte nicht, dass sein Sohn Isaak eine Frau aus dem Land Kanaan heiratet. Er beauftragt seinen Diener Elieser, nach Aram Naharaim zu reisen, um dort eine passende Frau zu finden. Am Brunnen begegnet Elieser Rebekka. Er bittet sie um Wasser, und sie gibt ihm zu trinken. Außerdem schöpft sie Wasser für seine Kamele. Elieser erkennt darin das Zeichen, dass Rebekka die richtige Frau für Isaak ist, und bringt sie nach Kanaan.
Nach Sarahs Tod heiratet Abraham Ketura. Sie schenkt ihm sechs Söhne, die er später in den Osten schickt. Abraham stirbt im Alter von 175 Jahren. Sein Erbe erhält Isaak.
Am Ende des Abschnitts wird von Ismael erzählt, von seinen Nachkommen und von seinem Tod im Alter von 137 Jahren.
Kommentar von Dr. Michael Laitman
Die Tora beschreibt keine äußeren Begebenheiten, sondern innere Vorgänge in uns. Sie erzählt, was in der Seele geschieht, wenn wir beginnen, unser wahres Wesen zu erkennen. Diese Offenbarung der Seele geschieht schrittweise. Jede Gestalt in der Tora steht für eine innere Kraft. Abraham ist die erste dieser Kräfte. Durch ihn öffnet der Mensch seine innere Welt und beginnt, die höhere Wirklichkeit zu entdecken. Abraham verkörpert die Kraft des Gebens und des Überwindens. Seine weibliche Entsprechung ist Sarah. Das ist die Kraft, die zu seiner Stufe gehört.
Um zu erkennen, mit welchen unserer Verlangen wir arbeiten können und mit welchen nicht, müssen wir sie prüfen. Manche sind noch zu sehr auf das eigene Ich gerichtet. Sie können erst auf späteren Stufen korrigiert werden. Bevor wir den inneren Zustand „Isaak“ erreichen, müssen wir diese ungeeigneten Verlangen beiseitelegen. Das geschieht durch eine andere weibliche Kraft – Hagar – aus der Ismael hervorgeht, die „Klipa“, also die Hülle der rechten Seite.
Die Stufe Isaak entsteht erst danach. Sie ist eine Fortsetzung des Grades Abraham. Über Isaak heißt es: „Denn nur Isaak allein wird dein Nachkomme genannt werden.“ (Genesis, 21:12). Das bedeutet, dass Abrahams Aufstieg auf eine höhere Stufe „Isaak“ genannt wird. Auf dieser Stufe müssen wir erneut unsere Verlangen prüfen, mit welchen wir arbeiten können und mit welchen noch nicht.
Ein Mensch kann diese Prüfung nicht allein vornehmen. Abraham steht nur für eine Seite, die Kraft von Chessed, Güte. Ihm fehlt die Kraft von Gwura, der Strenge, die zur Stufe Isaak gehört. An dieser Stelle tritt Elieser auf, der als die helfende Kraft des „höheren Lichts“ verstanden wird. Er hilft uns, unsere Verlangen zu erkennen und jene auszuwählen, mit denen wir weiterarbeiten können. Dieses Stadium heißt „Rebekka“.
Rebekka steht für Bina, für die Kraft des Verständnisses. Man erkennt das daran, dass sie nicht nur den Durst des Menschen stillt, sondern auch den der Kamele. Sie hat also Gefäße, die empfangen können, um zu geben. Mit dieser Kraft ist es möglich, weiterzugehen und die Seele weiter zu öffnen. Darum heißt es, dass Abraham durch Elieser die richtige Kraft für Isaak findet – die Kraft des Empfangens, die Rebekka genannt wird. Aus ihr wird die nächste Stufe entstehen.
Wenn man nach äußeren Anzeichen urteilt, wie etwa dem Vorfall mit den Kamelen, zeigt sich, dass Rebekka die Kraft von Bina in sich trägt. Ihre Fähigkeit besteht nicht nur aus den Gefäßen von Galgalta Eynaim, sondern auch aus den Gefäßen von ACHaP, also Gefäßen des Empfangens. Dadurch kann sie die Kamele tränken.
Mit dieser Eigenschaft ist es möglich, weiter voranzuschreiten und die innere Korrektur und Öffnung unserer Seele fortzusetzen. Deshalb heißt es, dass Abraham durch die Kraft von Elieser die passende Kraft der Überwindung für Isaak finden konnte. Diese Kraft ist die des Empfangens, genannt „Rebekka“. Aus ihr entsteht die nächste Stufe, der nächste Grad der Entwicklung.
Auf Abraham und Sarah folgt die Stufe von Isaak und Rebekka. Isaak führt Rebekka ins Land Kanaan und lässt sie nicht in Aram Naharaim zurück. Später setzt Abraham seine inneren Prüfungen fort, mit Ketura und den sechs Söhnen, die er in den Osten schickt.
Jede Prüfung unserer Verlangen geschieht in mehreren Stufen. Einige können wir sofort in den Dienst des Gebens und der Liebe zu anderen stellen. Andere bleiben vorerst ruhend, bis sie bereit sind. Wieder andere werden bereits vorbereitet, damit ihre Korrektur später die eigentliche Arbeit unterstützen kann. Diese nennt man „die Kinder der Nebenfrauen“.
Am Ende der Tage, also in unserer Zeit, kehrt die Kraft Abrahams zurück und erwacht in uns. In der ganzen Menschheit beginnt nun die Korrektur jener Kelim, der Gefäße, die sich einst vom ursprünglichen Weg getrennt hatten: der Kinder Israels, der Völker der Welt und der zehn verlorenen Stämme. Auch die Kinder der Nebenfrauen sind Teil dieses Prozesses. So durchläuft die gesamte Menschheit eine gemeinsame Bewegung der Korrektur.
Wir beginnen zu erkennen, dass die Verlangen, die heute in uns aufsteigen, Samen sind, die in früheren Generationen gesät wurden. Jetzt reifen sie heran und werden korrigiert. Die Ereignisse unseres Lebens erinnern uns an frühere Zustände. Sie helfen uns zu verstehen, was das Neue und Einzigartige dieser Zeit ist und wie wir uns dazu verhalten sollen.
Die Stufe Abraham wirkt in dem Verlangen, der „Sarah“ genannt wird – nach ihr ist dieser Abschnitt benannt. Wenn diese Stufe vollendet ist, endet auch ihre Aufgabe: Abraham stirbt, Sarah stirbt, und beide werden in der Höhle von Machpela begraben.
Diese Bilder sind bedeutsam, weil sie auf eine grundlegende spirituelle Arbeit hinweisen. Alle Korrekturen bis zum Ende der Entwicklung beruhen auf dem sogenannten zweiten Zimzum, der zweiten Einschränkung. Es gibt also zwei Einschränkungen unseres Verlangens zu empfangen. Sie hindern uns daran, nur für uns selbst zu empfangen und stattdessen anderen zu geben.
Das bedeutet, wir sollen ein normales Leben führen, dabei jedoch weiter blickien. Früher lebten die Menschen einfacher. Sie arbeiteten, verdienten ihren Lebensunterhalt und nur wenige besaßen Reichtum.
Heute, im Zeitalter der Technik, produzieren und verdienen wir weit mehr, als wir tatsächlich brauchen. Dadurch sind ganze Industrien des Überflusses entstanden: Tourismus, Unterhaltung, Konsum. Wir häufen Dinge an, die für unser Leben nicht notwendig sind.
Doch auch auf diesen Zustand wirken die beiden Einschränkungen des Verlangen zu empfangen. Wir erleben heute den Zusammenbruch der alten Lebensweise. Die weltweiten wirtschaftlichen Krisen zeigen es deutlich. Die Lösung liegt darin, dass jeder nur so viel nimmt, wie er wirklich braucht, und den Überschuss der Gemeinschaft und dem Wohl aller widmet. Auf diese Weise verwirklichen wir das Prinzip des zweiten Zimzum.
An die Stelle des egoistischen Empfangen muss das Geben treten. Die Krise zwingt uns, diese Wahrheit zu erkennen. Wenn wir sie verstehen, wird der Übergang leicht und friedlich verlaufen. Wenn wir uns dagegen sträuben, werden wir ihn als Schmerz erleben.
Die Höhle von Machpela steht für die Verbindung zweier Kräfte: Malchut und Bina. Das bedeutet, dass das Verlangen zu empfangen (Malchut) in das Verlangen zu geben (Bina) eintritt. Der Mensch nimmt nur, was zum Leben notwendig ist, und gibt den Rest weiter. Diese Haltung – zu empfangen, um zu geben – ist das Ziel, dem die gesamte Menschheit zustrebt. Darin liegt die tiefere Bedeutung der Höhle von Machpela.
Fragen und Antworten
Was ist eine Höhle, und was bedeutet das Wort „Machpela“, das von „Kaful“ (doppelt) stammt?
Eine Höhle ist eine Vertiefung in der Erde. Das hebräische Wort Erez (Erde) stammt vom Wort Razon (Verlangen) ab. Unser Verlangen ist, wie es geschrieben steht: „Das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an“ (Genesis 8:21), denn „Ich habe den bösen Trieb erschaffen“ (Jerusalemer Talmud, Berachot 27b).
Wenn wir in uns Selbstsucht, Verderbtheit oder Gleichgültigkeit gegenüber anderen spüren, erkennen wir, dass dies dem ursprünglichen Ziel entgegengesetzt ist: dem Geben und der Liebe zum Nächsten. Solch ein Zustand „begräbt“ uns innerlich. Und gerade daraus erwächst der Antrieb, uns zu verändern.
Die Korrektur geschieht durch das richtige Studium der Weisheit der Kabbala. Unter der Anleitung erfahrener Kabbalisten ziehen wir beim Lernen das „Licht, das zur Quelle zurückführt“, an, das „Gewürz“ der Tora. Darum wird die Weisheit der Kabbala auch „Gesetz des Lichts“, „Innerlichkeit der Tora“ oder „Tora der Wahrheit“ genannt.
Durch das richtige Studium erwacht in uns eine innere Kraft, die beginnt, unsere Verlangen zu ordnen und zu klären. Schritt für Schritt trennen wir uns von den Begierden, Leidenschaften und Eigenschaften, mit denen wir geboren wurden, um daraus ein neues Gefäß zu bilden – eine Seele, ein Kli für die Wahrnehmung der höheren Welt.
Dieser Keim der Seele existiert in jedem Menschen. Wir können ihn öffnen, nähren und aus ihm unsere eigene Seele heranbilden. Die Seele ist der göttliche Funke in uns. Sie ist ein Teil des Schöpfers selbst. Doch sie liegt verborgen unter den Schichten unserer Wünsche, Gedanken und Sorgen, die aus dem Ego entstehen.
Die „Höhle von Machpela“ steht für zwei grundlegende Korrekturen, die wir vollziehen müssen: den Übergang vom Empfangen für uns selbst hin zum Empfangen um der anderen willen. Unser ganzes Leben soll schließlich dem Prinzip folgen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“
Der Name Machpela bedeutet „Verdoppelung“, weil dieser Prozess in zwei Stufen verläuft. Zuerst korrigieren wir Malchut, indem wir nur das empfangen, was wir zum Leben wirklich benötigen. Danach empfangen wir alles Weitere nur, um geben zu können. Diese beiden Phasen umfassen den gesamten Weg der Korrektur bis zur vollen Entfaltung und zum Aufbau unserer Seele.
Abraham vollzog die erste dieser Korrekturen und erreichte dadurch die Stufe von Adam haRishon, des „ersten Menschen“. Deshalb wird er der „Vater der Nation“ genannt.
Können Menschen, die keine Kabbala studieren, sich einfach mit dem Notwendigsten zum Leben begnügen?
Nein. Das würde ihnen eher schaden, weil sie dann glauben könnten, bereits gerecht zu sein und kein weiteres Studium zu brauchen. Das eigentliche Problem liegt darin, dass wir meinen, selbst zu wissen, wie die Korrektur zu vollziehen ist. Doch um uns wirklich zu korrigieren, brauchen wir das „Licht, das korrigiert“ – die Kraft, die unsere Verlangen ordnet und uns zeigt, was zu tun ist.
Dieses Licht lehrt uns und führt uns auf unserem Weg. Wenn wir die innere Kraft, die Tora genannt wird, also die Anleitung, was wir mit uns selbst tun sollen, nicht erwecken, wissen wir nicht, wie wir weiterkommen können. Deshalb bleibt uns letztlich keine andere Wahl, als die Weisheit der Kabbala zu studieren. Nur durch sie können wir uns richtig entwickeln. Aus diesem Grund war sie über Jahrhunderte verborgen und wird gerade in unserer Zeit wieder offenbart.
Werde ich die Kräfte „Sarah, Abraham und Elieser“ jemals wirklich entdecken?
Natürlich wirst du all diese Kräfte in dir selbst entdecken. Die rechte Nukwa, die Frau, die am meisten korrigiert und vervollkommnet ist, heißt Sarah.
Was bedeutet „Begräbnis“, und spielt es eine Rolle, wo wir das Verlangen begraben?
Wir begraben ein Verlangen, indem wir aufhören, es egoistisch zu nutzen, und es auf die Stufe von Bina erheben. Es heißt: „Das sind die Gerechten, die selbst im Tod lebend genannt werden“ (Babylonischer Talmud, Berachot 18a). Das bedeutet: Wenn wir ein Verlangen begraben, legen wir die Absicht zu empfangen ab und beginnen, es zum Geben zu verwenden. Auf diese Weise erheben wir es auf die Stufe der Höhle von Machpela, eine sehr hohe Stufe.
Selbst wenn dieses Verlangen „im Boden“ liegt, wie in einer Höhle, wird es weiterhin zum Geben genutzt. Das sind große Korrekturen, denn das Verlangen selbst stirbt nicht; nur die egoistische Absicht stirbt. Das Verlangen bleibt lebendig. Das „Begräbnis“ bezieht sich also nicht auf das Verlangen selbst, sondern auf die Art, wie wir es verwenden.
Wenn Abraham die Stufe erreicht, auf der er alle seine Wünsche – seine weibliche Kraft, genannt Sarah – zu korrigieren weiß, erreicht er einen Zustand, in dem sich Rachamim (Barmherzigkeit) und Din (Urteil) verbinden. In diesem Zustand tritt er in die Höhle von Machpela ein. Sie symbolisiert, dass sich die Ebene dieser Welt zur Ebene der nächsten Welt erhebt.
Es heißt, Sarah habe 127 Jahre gelebt und Abraham 175. Was bedeutet dieses Alter?
Diese Zahlen beziehen sich nicht auf das Lebensalter, sondern auf innere Stufen. Sie stehen für Bewusstseins- und Entwicklungsebenen, auf denen wir unsere Seele schrittweise korrigieren können.
Entspricht Abrahams Stufe der Zahl 175?
Ja. Doch wir wissen nicht, wie diese Stufen genau zu verstehen oder zu zählen sind, so wie auch bei Methusalem oder Adam, von denen gesagt wird, sie hätten viele Jahre gelebt. Ebenso ist die Angabe, dass Abraham die Höhle für vierhundert Silberstücke kaufte, symbolisch zu deuten. Kessef (Silber) steht für Massach (Schirm), und die vierhundert Silberstücke bezeichnen die volle spirituelle Kraft, die Abraham für das Feld aufbrachte, das er von Ephron erwarb.
Abraham bestand darauf, die Höhle zu kaufen, statt sie geschenkt zu bekommen. Was bedeutet „kaufen“? Hat er ein Verlangen gekauft?
Das „Kaufen“ wird als ein Vorgang des Bezahlens beschrieben. Abraham zahlte mit seinem „Silber“, das heißt mit seiner inneren Arbeit, um das Verlangen zu empfangen so zu verwandeln, dass es dem Geben dient. Nur durch diese innere Anstrengung kann sich das Verlangen öffnen und richtig genutzt werden, um die Offenbarung des Höheren zu erreichen.
In unserer gesamten Wirklichkeit nutzen wir nur etwa ein Prozent unseres Verlangens zu empfangen. Deshalb nehmen wir auch nur diese Welt wahr. Erst wenn wir unser Verlangen erweitern, auf zwei, drei Prozent und schließlich bis zu hundert Prozent, beginnen wir, die höhere Wirklichkeit zu erkennen. Je mehr sich das Verlangen öffnet, desto umfassender wird unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit.
Es gibt eine verborgene Wirklichkeit, die wir allmählich enthüllen, je mehr unsere Wünsche wachsen. Von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr entdecken wir neue Phänomene, neue Zusammenhänge und tiefere Offenbarungen in der Welt. Wissenschaft und Menschheit entwickeln sich weiter. Doch all das bleibt nur ein kleiner Ausschnitt der gesamten Wirklichkeit.
Wir nehmen die Welt nicht so wahr, wie sie wirklich ist, sondern nur in dem Maß, wie sie unseren eigenen Interessen entspricht. So ist unsere Natur. Wenn wir jedoch ein größeres, umfassenderes Verlangen entwickeln wollen, müssen wir dafür „bezahlen“, mit innerer Arbeit und bewusster Anstrengung.
Dieses Verlangen umfasst vier Ebenen: das Unbewegte, das Pflanzliche, das Tierische und Sprechende. Jede dieser Stufen besteht aus hundert Einheiten, zusammen also vierhundert. Die „vierhundert Silberstücke“ stehen daher für die vollständige innere Arbeit, die notwendig ist, um das gesamte Verlangen zu erwerben. Kessef (Silber, Geld) bedeutet in diesem Zusammenhang „Arbeit“.
Wir müssen also das gesamte Verlangen „für vierhundert Silberstücke“ erwerben – das heißt, durch Arbeit an uns selbst. Zuerst müssen wir innere Schirme (Massachim) aufbauen, um nur das zu empfangen, was wir zum Geben verwenden können. Genau hier steht die Menschheit heute: Wir sind an eine Grenze unseres bisherigen Wachstums gelangt, an einen Punkt der Sättigung. Jetzt stehen wir vor der Wahl – entweder abzusteigen oder uns weiterzuentwickeln, in einem neuen inneren Gefäß, das sich der höheren Welt öffnet und dem Geben gewidmet ist.
Wir müssen also das gesamte Verlangen für „vierhundert Silberstücke“ erwerben, das heißt, durch bewusste Arbeit an uns selbst. Zunächst gilt es, innere Schirme (Massachim) aufzubauen, damit wir nur das empfangen, was wir zum Geben nutzen können. Genau an diesem Punkt steht heute die Menschheit: Wir haben die Grenze unseres bisherigen Wachstums erreicht, einen Zustand der Sättigung. Nun stehen wir vor einer Entscheidung: entweder wir steigen ab, oder wir entwickeln uns weiter, in einem neuen inneren Gefäß, Kli, das sich der höheren Welt öffnet und ganz dem Geben gewidmet ist.
Unterscheidet sich das Maß des Egos eines Menschen, der nach Macht strebt, von dem eines Führers, zum Beispiel eines Premierministers?
Nein, denn dieses Ego bleibt auf derselben sprechenden Stufe. Hier aber geht es um eine völlig andere Art des Egos, einem Ego, das herrschen will, um zu begreifen, was jenseits dieses Lebens liegt, über Leben und Tod hinaus. Dieses Ego ist uns noch unverständlich; es gehört zur linken Linie, zu den Klipot (Schalen), die dem Göttlichen entgegengesetzt sind.
In uns beginnen sich zwei Kräfte zu offenbaren. Die höhere Kraft, der Schöpfer, wirkt auf der rechten Seite, die entgegengesetzte Kraft auf der linken. Dazwischen steht der Mensch, der beide in sich vereint. Dieser Zustand wird „Höhle von Machpela“ genannt, „Verdoppelung“, weil sich in ihm beide Kräfte verbinden: die eine, die zum Guten strebt, und die andere, die ihr entgegengesetzt ist.
Ist das Verlangen zu empfangen ewig?
Ja, es ist so ewig wie der Schöpfer selbst; es wird niemals aufgehoben. Ohne dieses Verlangen gäbe es kein erschaffenes Wesen. Das hebräische Wort Niwra (Geschöpf) stammt vom Wort Bar (außerhalb) ab und bedeutet „außerhalb der Stufe“. Dieses Verlangen ist es, das uns vom Schöpfer trennt. Wenn wir es jedoch mit der Absicht zu geben nutzen, werden wir Ihm ähnlich und erreichen Dwekut , die Anhaftung an den Schöpfer, das eigentliche Ziel der Schöpfung.
Es heißt, einige Menschen stammten von den Kindern Keturas, andere von den Nachkommen Abrahams. Ist an diesen Aussagen etwas Wahres?
Ja, das ist richtig. Die gesamte Menschheit hat ihren Ursprung in Babylon. Damals wollten die Menschen Abrahams Lehre, die über Nimrod vermittelt wurde, nicht annehmen, weil sie selbst einen Prozess der inneren Korrektur durchliefen. Auch das ist bereits eine Form der Korrektur. Wer etwas ablehnt, tut dies aus einer bestimmten inneren Haltung heraus, geprägt von einem eigenen „Filter“ der Wahrnehmung.
Ein Mensch, der sich von Babylon auf den Weg macht – durch die Kriege in Kanaan, in Ägypten und an anderen Orten –, kann entweder zu den Kindern Keturas gehören oder zu den zehn Stämmen, die sich über die Welt verstreut haben. Sie alle tragen auf ihre Weise zur allgemeinen Korrektur bei, auch wenn wir nicht wissen, wie genau dieser Prozess verläuft.
Wenn wir heute DNA-Analysen betrachten, erkennen wir, dass sich alle Völker miteinander vermischt haben und jeder Mensch Anteile aller anderen in sich trägt. Jetzt, da diese Durchmischung vollendet ist, besitzt jeder die Fähigkeit, auf seiner eigenen Ebene zur allgemeinen Korrektur beizutragen. Deshalb erleben wir in unserer Zeit eine Krise – eine Phase der Klärung und des Erwachens, in der die Menschheit beginnt, ihren spirituellen Zustand zu erkennen.
Einerseits heißt es, dass alles in uns geschieht. Andererseits leben wir in dieser Welt, die wir wahrnehmen und erfahren. Gibt es eine Art „Formel“, nach der wir im Alltag handeln können?
Ja, die gibt es. Manche Menschen empfinden ihr Leben wie einen Film, der in ihnen selbst „projiziert“ wird. Sie nehmen die Welt zwar als etwas Äußeres wahr, erleben sie jedoch innerlich. Es ist, als säßen sie im Kino und würden nicht nur zuschauen, sondern selbst Teil des Films werden – unfähig, Abstand zu gewinnen oder das Geschehen zu beurteilen.
Wir können uns jedoch bewusst machen, dass es tatsächlich ein Film ist, der vor uns abläuft und dass wir selbst darin mitspielen. Wenn wir uns von oben betrachten, als Beobachter unseres eigenen Lebens, sehen wir, wie wir auf das reagieren, was geschieht. Dann beginnen wir zu erkennen, dass sich das Bild, das wir wahrnehmen, in Wirklichkeit in uns entfaltet und dass unsere Aufgabe darin besteht, richtig darauf zu reagieren.
In diesem Moment steigen wir von der Ebene des Films auf die Ebene des Verständnisses auf, zur Einsicht in denjenigen, der diesen „Film“ in uns projiziert, entsprechend unseren Reaktionen darauf. Mit anderen Worten: Alles hängt davon ab, wie wir uns zur Welt verhalten. Am besten ist es, ihr mit größtmöglicher Klarheit und innerer Wahrhaftigkeit zu begegnen.
Aus dem Sohar: Vierhundert Silberstücke
„Als Abraham die Höhle betrat, sah er dort ein Licht. Der Staub wurde vor ihm aufgewirbelt, und zwei Gräber wurden ihm offenbart. Da erhob sich ein Mann von seiner Gestalt aus seinem Grab, sah Abraham an und lächelte. Damit wusste Abraham, dass auch er dazu bestimmt war, dort begraben zu werden.
Adam sagte zu ihm: ‚Der Schöpfer hat mich hier verborgen und seitdem halte ich mich verborgen.‘ Bis Abraham kam, waren Adam und die Welt unvollständig. Darum musste Adam sich verbergen, damit die Klipot keinen Halt an ihm fanden. Aber als Abraham in die Welt trat, vollendete er Adam und die Welt, und Adam brauchte sich nicht länger zu verbergen.“
Sohar für Alle, Chaje Sara, Punkte105-106