Genesis, 32:4-36:43
WaJishlach - BegriffeZusammenfassung des Wochenabschnitts
Im Wochenabschnitt WaJishlach (Und Jakob sandte) möchte Jakob nach vielen Jahren, in denen er vor Esau geflohen war und bei Laban lebte, wieder Frieden mit seinem Bruder schließen. Er schickt Boten zu Esau, die zurückkehren und berichten, dass Esau ihm entgegenkommt – mit vierhundert Männern.
Jakob erschrickt über diese Nachricht. In der Nacht erscheint ihm ein Engel. Jakob ringt mit ihm und besiegt ihn, wird jedoch an der Hüfte verletzt. Der Engel teilt Jakob mit, dass sein Name von nun an nicht mehr Jakob, sondern Israel lautet. Als Esau ankommt, fallen sich die Brüder in die Arme, versöhnen sich, und Jakob zieht weiter in die Gegend von Sichem.
Später berichtet der Abschnitt von Dina, der Tochter Jakobs, die von Sichem, dem Sohn Hamors, des Hiwiters, geraubt wird. Sichem möchte Dina heiraten. Die Söhne Jakobs stimmen der Ehe nur unter der Bedingung zu, dass alle Männer der Stadt sich beschneiden lassen. Nachdem dies geschieht, töten Jakobs Söhne alle Männer der Stadt, holen Dina zurück und plündern Sichem.
Der Schöpfer weist Jakob an, nach Beit El zu ziehen. Dort segnet Er ihn mit vielen Nachkommen und mit dem Erbe des Landes. Am Ende des Abschnitts stirbt Rahel bei der Geburt ihres zweiten Sohnes Benjamin. Auch Isaak stirbt und wird von seinen beiden Söhnen Esau und Jakob begraben.
Kommentar von Dr. Michael Laitman
Dieser Abschnitt beschreibt die tiefen inneren Prüfungen, die wir in unserer Seele durchlaufen müssen, um uns von der Absicht zu empfangen zu befreien – von der egoistischen Form der Seele. Diese Prüfungen sind notwendig, weil die Seele im Prozess des „Zerbrechens der Gefäße“ zerbrochen wurde.
Wenn wir die Stufe Jakobs erreichen – eine Stufe, die immer noch ein Zustand von Katnut, also „Kleinheit“, ist –, stellen wir fest, dass wir nicht weiter vorankommen. Wir haben uns zwar über das Ego, über das Verlangen zu empfangen, erhoben und einen Zustand der Kleinheit erreicht, der Galgalta Ejnaim genannt wird, doch wir besitzen dort nichts mehr, womit wir weiter aufsteigen könnten.
Um weiter voranzuschreiten, müssen wir in uns zusätzliche Neigungen entdecken, weitere zerbrochene Kelim (Gefäße). Erst wenn wir diese korrigieren, können wir gemeinsam mit ihnen aufsteigen. Das bedeutet: Immer wenn wir eine bestimmte Stufe erreichen, müssen wir zuerst hinabsteigen und uns mit dem Negativen verbinden, bevor wir zum Positiven aufsteigen können.
Genau davon spricht dieser Wochenabschnitt. Wer die Stufe Jakobs erreicht und nicht weiterkommt, muss erneut Verbindung mit dem bösen Trieb aufnehmen, die noch nicht korrigiert ist. Wir wenden uns dem inneren Esau zu, auch wenn wir fürchten, dass das egoistische Verlangen uns überwältigen könnte und wir diesen Zustand vielleicht nicht überwinden können.
Das erfordert besondere Vorbereitung. Die Tora erzählt, dass Jakob alles aufteilte – die Frauen, die Kinder und alle, die bei ihm waren. Das bedeutet, dass wir unsere inneren Wünsche ordnen und alle unsere Eigenschaften sorgfältig ausrichten müssen, uns auf die Enthüllung der noch verborgenen Mängel vorzubereiten. Nur so können wir ihnen richtig begegnen und sie korrigieren.
Fragen und Antworten
Es heißt, dass Jakob mit einem Geschenk, einem Gebet und mit der Bereitschaft zum Kampf aufbricht. Er bereitet jede mögliche Vorgehensweise vor.
Ja, er teilt sein ganzes Lager auf. Man teilt ihm mit, dass Esau ihm mit vierhundert Männern entgegenzieht. Vierhundert ist ein vollständiges Maß – vier Bchinot, vier Unterscheidungen – und jede dieser Bchinot besitzt eine hundertfache Kraft.
Einerseits fürchtet Jakob eine solche Kraft. Andererseits weiß er, dass er keine Wahl hat. Wenn er sich der Dwekut, der Anhaftung mit dem Schöpfer, nähern will, muss er diese Stufen durchlaufen.
In der Nacht ringt Jakob mit dem Engel Esaus und durchläuft eine besondere Korrektur, die sich in ihm als Schwächung in der Hüftsehne zeigt. Doch er erkennt, dass gerade dieser „Makel“ ihn letztlich schützt. Deshalb erhält er den Segen, dass alle Enthüllungen, die künftig aus dem Anteil Esaus in ihm hervortreten, also aus seinen negativen Eigenschaften, nur so weit und in einer solchen Form erscheinen werden, wie er sie auch korrigieren kann, ohne daran zu scheitern.
Auch wenn weitere Abstürze und Prüfungen vor ihm liegen, etwa die Episode mit Dina, bekommt er die Gewissheit, dass am Ende ausgerechnet das große Ego, das der Schöpfer in ihm erschaffen hat, seine Weiterentwicklung ermöglichen und vorantreiben wird.
Darum zieht Jakob nach seiner Begegnung mit Esau nach Sichem weiter, nun mit stärkeren inneren Kräften ausgestattet. Er steht kurz davor, sich von der Stufe Jakobs – der Stufe von Katnut der Seele, in der er nur Gefäße des Gebens besitzt – zur Stufe Gadlud (Großsein) zu erheben, zur Stufe Israel.
„Israel“ bedeutet, dass all unsere Verlangen und alle Eigenschaften, die sich bisher in uns gezeigt haben, direkt auf den Schöpfer ausgerichtet sind. Wer danach strebt, dem Schöpfer ähnlich zu werden, sich an Ihn anzuhaften und deshalb die Stufen der Jakobsleiter durchläuft, erreicht einen Zustand, der Yashar El, „direkt zum Schöpfer“, heißt – Israel.
Wer jedoch in eine andere Richtung geht, von der inneren Korrektur abweicht und die Seele nicht mithilfe der Weisheit der Kabbala korrigiert, wird zu dem, was geschrieben steht: „er gleicht dem Vieh“ (Psalm 49). Ohne diese innere Arbeit sind wir wie die „Völker der Welt“, wie Esau, unerlöst.
Dina, die Tochter Jakobs, ist bereits mit der nächsten Stufe verbunden. Deshalb fühlt sich Sichem so stark zu ihr hingezogen. In dieser Erzählung geht es um Vergewaltigung und Zwang, was bedeutet, dass Gefäße des Gebens unter die Gefäße des Empfangens geraten. Obwohl Dina sich im Zustand von Din, also des Gerichts, befindet, wie ihr Name, Dina, bereits andeutet, kommt ein großes Verlangen zu empfangen über sie.
Darum gibt es nur zwei Korrekturen, die die Söhne Jakobs vornehmen können: Die erste besteht darin, dass sich die Männer der Stadt beschneiden lassen; die zweite darin, sie zu töten. Dies symbolisiert das Entweichen des höheren Lichts aus diesen Kelim, wodurch sie „tot“ werden.
Was bedeutet die Plünderung der Stadt?
Eine „Stadt“ ist in der Spiritualität ein Ort des Verlangen zu empfangen, bestehend aus Kelim, die uns dazu bringen, dieses Verlangen zu empfangen vom Licht des Lebens zu trennen. Andernfalls können wir korrigieren.
In unserer materiellen Welt gilt das Töten eines Menschen als Verbrechen. In der spirituellen Welt jedoch bedeutet „Töten“, dass die höhere Kraft alle Genüsse aus unseren Verlangen, aus unseren Kelim, herausnimmt, dass sie die Empfindung von Leben und Vitalität entfernt. Wir fühlen uns dann innerlich wie tot.
Doch gerade dieses Gefühl des „Todes“ hilft uns, das wahre Leben zu erreichen. In diesem neuen Leben verbinden wir uns mit dem höheren Licht, füllen uns mit ewiger Freude durch die Erkenntnis der Göttlichkeit und empfinden unser ewiges, vollständiges Dasein.
Das Töten, von dem der Abschnitt spricht, bezieht sich also auf die Frage, warum wir töten. Es ähnelt dem Zustand eines Krebspatienten, der um sein Leben kämpft und den Tumor „töten“ muss. Deshalb kommt es darauf an, welche Art von „Tötung“ gemeint ist und auf welche inneren Unterscheidungen sie sich bezieht.
In diesem Fall dient das Töten der Stadt dem Wohl des Menschen. Es ist eine Korrektur.
Würde es nicht genügen, sich mit der Beschneidung zu begnügen?
Nein. Beschneidung bedeutet, dass du deine Verlangen in gute und schlechte teilst. Wenn nach der Beschneidung weiterhin Wünsche vorhanden sind, die noch nicht korrigiert werden können, musst du sie vorübergehend vom Licht trennen, und das ist das „Töten“. Dadurch rettest du Dina, die vorerst an die mittlere Linie, an Jakob, angebunden sein muss, durch die er nach Beit El aufsteigt, das Haus Gottes.
Der Schöpfer sagt zu Jakob: „Jetzt bist du bereit, auf die nächste Stufe aufzusteigen, die Beit El genannt wird.“ Als Jakob dort ankommt, empfängt er den Segen. Es sind Gefäße des Gebens, die Kräfte, mit denen er diese Stufe halten und die Offenbarung der Spiritualität auf dieser Ebene erreichen kann.
Jakob erhält den Segen, dass die ganze Erde, also das gesamte Verlangen, ihm gehören wird. Das heißt: Am Ende wird alles nach und nach korrigiert werden, und dann wird gelten: „Das ganze Land ist vor dir“ (Genesis 13,9). Selbst wenn die Verlangen von anderen Nationen beherrscht werden – das bedeutet, sie sind noch nicht mit dem Geben und mit der Liebe zu anderen verbunden –, können sie dennoch korrigiert werden, sodass auch sie auf das Geben ausgerichtet sind.
Das Ende des Abschnitts berichtet vom Tod Rachels und Isaaks.
Sowohl Esau als auch Jakob nehmen an Isaaks Begräbnis teil. Dies zeigt die Korrektur der vorherigen Stufe, die nun „begraben“ werden muss. „Begräbnis“ bedeutet in der Spiritualität, dass die neue Stufe auf der vorherigen aufgebaut wird. Die alte Form wird abgeschlossen und zur Grundlage für die nächste erhoben.
Jakob und Esau sind widersprüchliche Eigenschaften. Was bedeutet es, dass sie einander umarmen?
Es gibt viele Ebenen der Verbindung zwischen Eigenschaften, selbst zwischen solchen, die einander widersprechen. „Sich annähern“ kann eine Umarmung der rechten Seite bedeuten, eine Umarmung der linken, einen Kuss, einen hohen oder einen niedrigen Siwug (Vereinigung), wie es heißt: „Seine Linke stützt mein Haupt und seine Rechte umfaßt mich.“ (Hoheslied 2,6). Mit anderen Worten, es gibt viele Arten der Korrektur dsr bösen Triebes.
Jakob ist bereit, Esau zu umarmen und mit ihm in Kontakt zu treten, nachdem er die nächtlichen Korrekturen durchlaufen hat. Wer solche inneren Korrekturen durchsteht – in sehr schwierigen Zuständen, in der Nacht, im Kampf mit Esaus Engel – ist bereit, dem bösen Trieb zu begegnen, ihn zu ordnen und jene Teile zu korrigieren, die nun bearbeitet werden können, um zu einer höheren Stufe aufzusteigen.
Es gibt immer ein Herausgehen und ein Hineingehen, so wie Jakob, der das Land Israel verlässt und zurückkehrt, der vor Esau flieht, Erfahrungen sammelt und schließlich genügend Stärke erlangt, um ihm zu begegnen.
Was hat Jakob im Hause Labans durchgemacht?
So steigen wir Stufe um Stufe empor. Wenn wir uns auf einer bestimmten Stufe befinden und zur nächsten spirituellen Stufe aufsteigen sollen, müssen wir einen weiteren Teil des Egos, also des Verlangen zu empfangen, aufnehmen und es so korrigieren, dass es im Geben arbeitet.
Dieses neu korrigierte Verlangen schließt sich dann der Seele an, und so steigen wir eine Stufe höher. Auf dieser neuen Stufe empfangen wir eine zusätzliche Offenbarung der Göttlichkeit, eine tiefere Verbindung mit dem Göttlichen.
Auf diese Weise setzt sich der Aufstieg fort, bis wir den endgültigen Zustand erreichen, in dem unsere ganze Seele korrigiert ist.
Was bedeutet es aus spiritueller Sicht, dass der Schöpfer Jakob mit vielen Kindern segnet?
„Viele Kinder“ bedeutet spirituell, dass der Schöpfer uns segnet, all unsere Verlangen zu korrigieren, die aus der großen Malchut von Ejn Sof – der Unendlichkeit, also der gesamten Schöpfung – hervortreten. Diese Wünsche werden uns gegeben, damit wir sie zu einem Zustand des Gebens verwandeln können.
Darum wird Jakob „Israel“ genannt – Yashar El, „direkt zum Schöpfer“.
Er herrscht über die gesamte Schöpfung durch Ausrichtung auf gegenseitiges Geben.
Aus dem Sohar: Du sollst nicht mit einem Ochsen und einem Esel pflügen
„Das einzige Verlangen der Stufen der Unreinheit besteht darin, die heiligen Stufen anzugreifen. Sie alle lauerten und griffen Jakob an, der heilig war, wie es geschrieben steht: ‚Und Jakob kam wohlbehalten.‘
Zuerst biss ihn die Schlange, wie es heißt: ‚Er berührte die Höhlung seiner Hüfte.‘ Über den Diener Esaus heißt es, dass er auf einer Schlange ritt. Danach biss ihn Hamor (Esel), Shechem, der Sohn von Hamor, der die Klipa der rechten Seite ist.“
Sohar für Alle, WaJishlach (Und Jakob sandte), Punkt 146)
Wir müssen die negativen Kräfte immer als eine Gelegenheit betrachten, auf die nächste Stufe aufzusteigen. Es gibt kein Böses in der Welt – nicht einmal jetzt, mitten in all den Schwierigkeiten und Problemen, die auftauchen. Wichtig ist allein, dass wir lernen, diese Kräfte richtig zu nutzen, so wie die Tora es uns lehrt.
Unser Problem ist, dass wir nicht nach der Tora handeln. Würden wir nach der Weisheit der Kabbala leben, die erklärt, wie man diese Korrekturen ausführt, dann würden wir die Welt nur noch als eine Sammlung von Möglichkeiten sehen – als Chancen für bessere Zustände.
Wer nimmt die Korrektur vor – der Schöpfer oder das umgebende Licht?
Die Korrektur wird vom umgebenden Licht vollzogen, doch der Mensch muss dieses Licht anziehen. Warum haben wir diese Anweisung erhalten? (Denn Tora bedeutet „Anweisung“.) Obwohl das Licht in ihr den Menschen korrigiert, wirkt es gemäß unserem eigenen Anziehen – entsprechend dem Maß, in dem wir verstehen, wie wir korrigiert werden müssen.
Wir müssen all die Prüfungen, Unterscheidungen und Sortierungen in uns selbst und in Bezug auf die allgemeine Wirklichkeit vornehmen und anschließend um die Korrektur bitten. Auch wenn wir selbst nicht die Kraft zur Korrektur besitzen, müssen wir, wie kleine Kinder, ständig bemüht sein, die Dinge richtig zu ordnen und zu verstehen. Das ist unsere Aufgabe.
Wenn Engel Kräfte sind, was bedeutet es dann, mit einem Engel zu kämpfen? Kämpft man da gegen Schwerkraft oder Magnetismus?
Uns wird, wie im oben erwähnten Abschnitt aus dem Sohar, erklärt, dass ein Engel entweder von der rechten oder von der linken Seite kommt. Es gibt unterschiedliche Engel, mit denen wir in einer bestimmten Weise umgehen müssen, um sie in die mittlere Linie einzufügen, die Adam (Mensch) genannt wird.
Das Wichtigste ist also, wie wir uns zu den Zuständen verhalten, richtig?
Was braucht es sonst? Wir befinden uns in der Natur, deren Gematria Elokim (Gott) entspricht. Die Gesetze der Natur und die Gebote des Schöpfers sind ein und dasselbe. Die Tora lehrt uns, wie wir alles in uns richtig nutzen, all unsere inneren und äußeren Kräfte und Eigenschaften.
Gerade heute leben wir in einer verwirrten Welt, in der niemand mehr weiß, was zu tun ist. Wir haben keine Vorstellung davon, was der morgige Tag bringt, und das Leben erscheint unklar und bedrohlich. Würden die Menschen wissen, was die Tora über das Leben erklärt, dann würden sie verstehen, dass wir gerade eine Möglichkeit haben, auf eine höhere Stufe aufzusteigen – auf ein völlig neues Niveau, zur Offenbarung der Göttlichkeit.
Die Welt befindet sich bereits sehr nahe einer großen und besonderen Korrektur.
Liegt die Korrektur beim Schöpfer oder bei uns?
Die Korrektur liegt bei uns. Es gibt ein einziges Ziel vor uns und zwei Wege, dorthin zu gelangen. Der linke Weg ist der Weg des Leidens. Der rechte Weg ist der Weg der Tora, der Weg des Lichts, das korrigiert. Der linke Weg bedeutet, mit der „Rute“ voranzugehen, die uns antreibt und zwingt, weiterzugehen. Der rechte Weg bedeutet, das Licht anzuziehen, das ims korrigiert.
In jedem Fall müssen unser Ego, das Verlangen zu empfangen, der böse Trieb in uns, korrigiert werden. Wie dies geschieht, hängt von unserer Haltung zur Korrektur ab und davon, ob wir verstehen, dass alles, was vor uns erscheint, nur dazu dient, uns zur Korrektur zu bewegen – also dazu, das korrigierende Licht anzuziehen.
Das führt uns zurück zur Weisheit der Kabbala, die wir nutzen müssen, denn sie ist das Innere der Tora, das Gesetz der Wahrheit, das Gesetz des Lichts. Und gerade durch ihre richtige Anwendung können wir das Licht anziehen, das uns korrigiert. Dieser Weg erspart uns Schläge, weil wir sanft und leicht von Stufe zu Stufe auf Jakobs Leiter aufsteigen.
Aus dem Sohar: Und Jakob sandte Engel
„‚Denn Er wird seinen Engeln befehlen, dich zu behüten.‘ Wenn ein Mensch in die Welt kommt, erscheint sofort der böse Trieb zusammen mit ihm und erhebt ununterbrochen Anklage gegen ihn, wie es geschrieben steht: ‚Die Sünde lauert vor der Tür.‘ ‚Die Sünde lauert‘ – das ist der böse Trieb.
‚Vor der Tür‘ – das ist die Tür des Mutterleibs, also der Moment, in dem ein Mensch geboren wird.“
Zohar für Alle, WaJishlach (Und Jakob sandte), Punkt 1
So kommen wir zur Welt – mit einem kleinen, selbstbezogenen Verlangen zu empfangen. Und selbst wenn wir heranwachsen, bleiben wir doch wie kleine Tiere, wie es heißt: „er gleicht dem Vieh“ (Psalm 49,13). Auch wenn uns manche Menschen sehr böse erscheinen, gilt das noch nicht als das wirkliche Böse. „Böse“ wird ein Mensch erst dann, wenn er bewusst der Allgemeinheit schaden will, der Menschheit insgesamt. Ein gewöhnlicher Mensch ist weder gut noch schlecht; er ist unwesentlich. Er wird von der Natur gelenkt, und nichts kommt wahrhaft aus ihm selbst.
Heute jedoch zeigt sich die Neigung zum Bösen überall auf der Welt, weil ELoHIM – Gott, dessen Zahlenwert in der Gematria dem Wort „Natur“ entspricht – uns zeigt, dass die gesamte Welt miteinander verbunden ist. Deshalb müssen auch wir uns verbinden. Durch diese Verbindung erreichen wir Gleichheit der Form, die Anhaftung an den Schöpfer. Wenn wir uns dieser Verbindung widersetzen und stattdessen egoistisch handeln, uns verschließen und uns von anderen abgrenzen, dann ist das genau die Haltung, durch die wir wirklich „böse“ werden.
Der böse Trieb tritt erst dann klar zutage, wenn die Welt beginnt, sich als rund, vernetzt, integral und global zu zeigen. Doch wir haben den Sprung noch nicht gewagt. Wir haben uns nicht vereint und nicht verbunden. Wir stecken weiterhin in unseren Egos fest, im bösen Trieb – dem genauen Gegenteil dessen, was der Schöpfer uns jetzt als notwendige Bedingung vor Augen stellt.
Wir stehen am Rand der Zerstörung, doch die Menschen ändern ihre Sichtweise nicht.
Das ist das Problem. Genau deshalb taucht die Weisheit der Kabbala nach tausenden Jahren der Verborgenheit jetzt wieder auf. Sie soll dem Volk Israel verständlich machen, dass es eine sehr wichtige Aufgabe hat: „zum Lichte von Nationen“ zu sein (Jesaja 42:6) und sich selbst zu korrigieren. Wir sind lediglich eine Durchgangsstufe für die Korrektur der gesamten Welt. Wenn wir diese Aufgabe nicht rechtzeitig erfüllen, wird die ganze Welt diese Korrektur von den Juden fordern, ohne selbst zu verstehen warum – und der Hass auf die Juden wird wachsen. Deshalb müssen wir schnell handeln.
Was genau müssen wir korrigieren?
Wir müssen eine Gesellschaft werden, die auf gegenseitiger Verantwortung aufgebaut ist und nach den Bedingungen lebt, die am Fuß des Berges Sinai galten – als alle bereit waren, sich „wie ein einziger Mensch mit einem einzigen Herzen“ zu verbinden. Nur so werden wir wirklich zu einem Volk, und nur unter dieser Bedingung können wir weiter bestehen.
Zurzeit bestehen wir in Wahrheit nur durch Gottes Gnade „auf Bewährung“, bis wir die gegenseitige Verantwortung tatsächlich umsetzen, wie Baal HaSulam es in seinem Artikel „Eine Rede zur Vollendung des Sohar“ beschreibt. Doch die Zeit könnte ablaufen. Wenn wir diese Bedingung nicht erfüllen, wird uns keine weitere Verlängerung gewährt, und wir werden nicht im Land Israel bleiben können. Dann müssten wir dieses Land erneut verlassen, denn es würde uns wieder ausstoßen – so steht es in der Tora, im Sohar und an vielen anderen Stellen. [1]
Heute jedoch haben wir eine große Gelegenheit. Wenn wir uns zusammenschließen, können wir die notwendige Korrektur für die Welt fordern. Auch wenn wir selbst noch nicht genau wissen, was diese Korrektur umfasst, sind wir doch diejenigen, die die Methode besitzen – die Träger der Tora. Deshalb müssen wir sie der Welt offenbaren, aber zuerst uns selbst.
Darum müssen wir uns vereinen, „wie ein Mensch mit einem Herzen“, uns als Nation verbinden, zu Yashar El (direkt zum Schöpfer) werden und das „Volk Israel“ im inneren spirituellen Sinn verkörpern. Wir müssen zur mittleren Linie finden und beginnen, uns durch sie zu Dwekut – zur Anhaftung an den Schöpfer – zu erheben, indem wir immer stärkere Bande zwischen uns knüpfen, in der Liebe zum Nächsten wie zu uns selbst, in brüderlicher Liebe.
Diese Liebe haben wir einst verloren, und deshalb wurde der Tempel zerstört. Nun müssen wir zu ihr zurückkehren – und die gesamte Menschheit mit uns nach oben ziehen.
Bedeutet das, dass Jakob Verbindung und Esau Trennung ist? Und besteht unsere Aufgabe darin, die Trennung durch Verbindung zu überwinden?
Ganz genau. Es handelt sich um zwei entgegengesetzte Kräfte, und wir müssen den Jakob in uns über den Esau in uns erheben und ebenso in unserer gesamten Gesellschaft. Die Menschen müssen die Botschaft, den Kern und den Zweck dieses inneren wie äußeren Konflikts verstehen und entsprechend handeln.
[1] „Wenn Israel sich nicht mit der Tora beschäftigt, erstarkt die linke Linie, und die Macht der Götzendienernationen wächst. Sie nähren sich von der linken Seite, herrschen über Israel und auferlegen ihnen Gesetze, die sie nicht ertragen können. Deshalb wurde Israel verbannt und unter die Nationen zerstreut.“
Sohar für alle, Beshalach (Als Pharao sandte), Punkt 306