<- Kabbala Bibliothek
Weiterlesen ->

Genesis, 37:1-40:23

WaJeshew - Begriffe
Glossar der im Wochenabschnitt WaJeshew verwendeten Begriffe

Zusammenfassung des Wochenabschnitts

Im Abschnitt WaJeshew („Und Jakob wohnte“) wohnt Jakob im Land Kanaan. Die zentrale Figur dieses Abschnitts ist Joseph, Jakobs jüngster Sohn. Joseph besitzt die Gabe prophetischer Träume. In einem dieser Träume sieht er sich selbst als Herrscher über seine Brüder. Als er ihnen davon erzählt, weckt er ihre Eifersucht.

Die Brüder ziehen mit dem Vieh nach Sichem, um dort zu weiden, und Jakob schickt Joseph zu ihnen. Unterwegs begegnet Joseph einem Mann und fragt nach seinen Brüdern: „Ich suche meine Brüder“ (Genesis 37,16). Als er sie findet, haben sie bereits den Plan gefasst, ihn aus Neid zu töten. Ruben verhindert jedoch den Mord. Stattdessen werfen sie Joseph in eine Grube und beschließen, ihn an die Ismaeliter zu verkaufen. Eine vorbeiziehende Karawane von Midianitern nimmt Joseph schließlich mit und bringt ihn nach Ägypten.

In Ägypten kommt Joseph in das Haus von Potifar, dem Obersten der Leibwache des Pharao. Potifars Frau versucht, Joseph zu verführen, doch er weist sie zurück. Aus Rache bezichtigt sie ihn, sie bedrängt zu haben. Daraufhin wird Joseph ins Gefängnis geworfen.

Dort begegnet er zwei hohen Beamten des Pharao: dem Oberschenk und dem Oberbäcker. Joseph zeigt ihnen seine Gabe, Träume zu deuten. Er erklärt ihnen ihre Träume und sagt voraus, dass der Schenk in drei Tagen freikommen wird, während der Bäcker hingerichtet wird. Joseph bittet den Oberschenk, nach seiner Freilassung beim Pharao ein gutes Wort für ihn einzulegen und ihm zu helfen, aus dem Gefängnis entlassen zu werden.


Kommentar von Dr. Michael Laitman

Dieser Abschnitt enthält eine tiefgehende spirituelle Botschaft. Er beschreibt die Korrektur der Seele, den Lebenszweck des Menschen und den Grund, warum die Tora gegeben wurde. Zunächst erscheint der böse Trieb, wie es heißt: „Ich habe den bösen Trieb erschaffen, ich habe für sie die Tora als Gewürz erschaffen“ (Massechet Kidushin 30b), denn „das Licht in ihr korrigiert den Menschen“ (Eicha, „Einführung“, Absatz 2).

„Korrigieren“ bedeutet, in den Zustand zurückzukehren, in dem wir „den Nächsten lieben wie uns selbst“. Das heißt, es bringt uns zurück zur Eigenschaft des Gebens, zur Ähnlichkeit mit dem Schöpfer. Genau das sollen wir erreichen, wie geschrieben steht: „Kehre um, Israel, zum Herrn, deinem Gott“ (Hosea 14:2).

Die Tora zeigt uns, wie sich das Ego, der Wille zu empfangen, fortwährend verändert, bis es schließlich korrigiert ist. In dem Beispiel dieses Abschnitts sehen wir, wie sich alle unsere inneren Eigenschaften verbinden und wieder trennen, wie sie aus dem Gleichgewicht geraten und schließlich weiter entwickelte Eigenschaften hervorbringen, die dem Geben näherstehen.

Jakob ist der Beginn der Eigenschaft des Gebens in uns. Abraham, Isaak und Jakob sind die drei Erzväter. Jakob ist in Wahrheit der wichtigste von ihnen, denn in ihm verbinden sich sowohl das Verlangen zu empfangen als auch das Verlangen zu geben. Nur durch diese beiden Gegensätze kann die mittlere Linie entstehen. Diese mittlere Linie, Jakob, gehört jedoch noch nicht zur Ebene der tatsächlichen Umsetzung in uns, sondern zur Ebene der inneren Entscheidung.

Der Ausdruck von Jakobs Stufe der Verwirklichung zeigt sich in seinen Söhnen, von Ruben, dem Erstgeborenen, bis hin zu Joseph, dem Jüngsten. Und genau in dieser Hierarchie ordnen sich die inneren Eigenschaften in uns ein. Auf diese Weise wird das Ego in all seinen (noch ungeklärten) Formen korrigiert.

Derjenige, der sie alle vollendet, ist Joseph, der Gerechte. Er sammelt alle vorherigen Eigenschaften in der Eigenschaft von Jessod, dem Fundament. Darum wird er „der gerechte Joseph“ oder „der Gerechte, das Fundament der Welt“ genannt (Sprüche 10,25).

Einerseits nutzt Joseph all seine vorherigen Eigenschaften – Keter, Chochma, Bina, Chessed, Gwura, Tiferet, Nezach, Hod und Jessod –, doch andererseits muss er sie in Malchut bringen. Malchut ist das egoistische Verlangen zu empfangen, das als Pharao, als Ägypten, bezeichnet wird und die Gesamtheit unseres Egos symbolisiert.

Sobald wir all diese Eigenschaften des Gebens in uns entdeckt haben – beginnend bei Abraham, der Eigenschaft von Chessed, über die Kräfte von Gwura, Tiferet, Nezach, Hod und schließlich Jessod, die Joseph verkörpert –, kommt der Moment, an dem wir uns von den „Vätern“ lösen müssen und in das Verlangen zu empfangen eintreten. Wir müssen zuerst das Verlangen zu empfangen durchdringen und danach wird das Verlangen zu empfangen uns durchdringen.

Sobald wir von beiden Eigenschaften, dem Empfangen und dem Geben, durchdrungen sind, müssen wir erkennen, dass zuerst die Eigenschaft des Gebens in die Eigenschaft des Empfangens eintritt und beginnt, sie zu korrigieren. Erst danach trennt sie aus der Eigenschaft des Empfangens jenen Teil heraus, der tatsächlich korrigiert werden kann.

Es ist wie bei einem Erzieher, der mit einer Gruppe von Straftätern arbeitet. Er kann einige der weiter entwickelten Mitglieder auswählen, die bereit sind mit ihm zu arbeiten, und sie zur Korrektur führen.
Mit anderen Worten: Wenn wir in das Verlangen zu empfangen eintreten, betreten wir das Exil. Und wenn wir dieses Exil verlassen, kommen wir mit „großer Habe“ heraus – das heißt mit einigen „Verbrechern“, die bereit waren, sich korrigieren zu lassen und diesen Zustand als Erlösung betrachten. Werden sie korrigiert, besitzen sie „große Habe“, weil sie zusätzliche Kraft innerhalb der allgemeinen Eigenschaft des Gebens erworben haben.

So korrigieren wir durch all diese Exile und Erlösungen nach und nach die gesamte böse Neigung. Gleichzeitig beginnen wir zu verstehen, wie der gesamte Prozess aufgebaut ist, wir erkennen den Plan der Schöpfung und werden dem Schöpfer immer ähnlicher. Joseph – die letzte der Eigenschaften des Gebens – durchläuft viele innere Prozesse, um sich von der reinen Qualität des Gebens zu lösen und sich darauf vorzubereiten, die Qualität des Empfangens zu betreten, also nach „Ägypten“ hinabzusteigen.

Das ist der Grund für seinen Streit mit seinen Brüdern. Sie lehnen ihn ab und empfinden Hass gegen ihn, weil sie nicht begreifen, was er will. Sie können nicht verstehen, wie ausgerechnet der jüngste Sohn der bedeutendste sein soll. Doch Joseph ist anders als sie.

Banim (Söhne) entspricht drei Mal dem Namen Yud-Hej-Waw-Hej, also den drei Linien. Das ergibt die zwölf Söhne. Joseph ist nicht nur der Größte, weil er bereit ist, sich mit ihnen zu verbinden, auch die anderen beugen sich vor ihm, sie unterwerfen sich ihm. Solange sie selbst nicht in Malchut eintreten, während Joseph bereits mit Ägypten, dem Verlangen zu empfangen, vermischt ist, akzeptieren sie seine Größe. Sie erkennen, dass sich diese Situation später im Verlangen zu empfangen zugunsten der Korrektur verwirklichen wird.

Daraus folgt, dass wir Stufen durchlaufen, die uns völlig falsch und negativ erscheinen, so wie wir auch das Verhalten der Brüder gegenüber Joseph nicht verstehen. Jakob leidet und ist hilflos. Die Brüder wollen Joseph töten und belügen Jakob, doch Fremde retten Joseph aus der Grube – allerdings nur, um ihn zu verkaufen.

So lösen wir uns nach und nach von unseren früheren Eigenschaften. Wir sammeln all diese früheren Qualitäten in der Eigenschaft von Jessod, der Qualität Josephs, und hören auf, sie auf die alte Weise zu nutzen. Anders ausgedrückt: Wir verlassen das Land Kanaan und treten in Ägypten ein.

In Ägypten, wenn wir mit dem Verlangen zu empfangen in Berührung kommen – wenn also die Eigenschaft des Gebens in das Verlangen zu empfangen eintritt – spürt dieses Verlangen zu empfangen sofort, wie viel er daraus gewinnen und profitieren kann. Wäre es nur eine weitere Form des Empfangens, wäre es nicht weiter von Bedeutung. Doch wenn wir geben, um zu empfangen, verhalten wir uns wie Händler: Wir berechnen jede Art von Geben, die wir dem Verlangen zu empfangen hinzufügen, indem wir uns mit allem verbinden, und durch dieses „Feilschen“ können wir daraus für uns selbst Gewinn ziehen.

Auf diese Weise erkennen wir, dass die Eigenschaft Joseph für das egoistische Verlangen äußerst gewinnbringend sein kann. Man fühlt sich klüger, mächtiger, nützlicher und erfolgreicher als andere. Man muss nicht aggressiv handeln, um zu empfangen, sondern erhält alles durch geschicktes Abwägen: „Ich gebe dir dies, und du gibst mir das.“ Das ist eine weiterentwickelte Form des Egoismus.

Darum bringt die Eigenschaft Joseph, wenn sie sich mit unserem Verlangen zu empfangen verbindet, so wie Joseph sich mit Ägypten verband, großen Nutzen für jene Teile in uns, die selbstbezogen sind.

Wir spüren, dass der Nutzen so groß ist, dass in uns der Wunsch entsteht, diese Fähigkeit nur noch für den eigenen Vorteil zu nutzen. Doch der Mensch in uns, der innere Punkt, der nach Wahrheit strebt, kann dem nicht zustimmen. Genau das geschieht, als Joseph in das Haus Potifars kommt. Zunächst scheint alles in Ordnung, doch mit Potifars Frau wird eine Grenze überschritten. Hier erkennt der Mensch in uns, dass dieses egoistische Verlangen uns aus unserer inneren Wurzel herausreißen würde, und dagegen können wir uns nicht entscheiden.

Sobald wir uns innerlich weigern, diesen Schritt zu gehen, fühlen wir uns machtlos, gefangen, eingesperrt.

Dieses Empfinden hält lange an und verstärkt sich durch die fremden „Kräfte“ – den Oberschenk und den Oberbäcker – während Joseph im Gefängnis ist. Diese inneren Kräfte stehen in Verbindung mit dem Joseph in uns. Sie führen uns zu Pharao und begleiten uns dorthin. Die Kraft des Oberbäckers wird zerstört, weil sie zu den egoistischen Kräften des Gebens gehört, mit denen Joseph erkennt, dass er nicht arbeiten kann.

Doch die Kräfte des Empfangens – der oberste Schenk, der dem Wein entspricht – sind es, die erwachen. Der Schenk rettet Joseph nicht sofort, sondern erst, nachdem wir aus dem Fall, aus dem Abstieg, wieder erwachen.

Um von einer Stufe zur nächsten aufzusteigen, müssen wir träumen. Ein Traum ist ein Zustand, in dem wir die vorherige Stufe verlieren und eine neue erlangen. Um neu geboren zu werden, müssen wir uns umkehren.

Wir durchlaufen drei Zustände: Liegen, Sitzen und Stehen. „Liegen“ ist der Zustand des Träumens. In diesem Zustand befinden sich Kopf, Körper und Beine auf derselben Höhe. Das bedeutet, dass wir weder Verstand noch Weisheit besitzen. Doch gerade in dieser Form empfangen wir die Kelim, also die Gefäße für die nächste Stufe und werden innerlich „auf den Kopf gestellt“, so wie ein Neugeborenes aus dem Mutterleib hervorkommt. Im Mutterleib liegt das Baby mit dem Kopf nach oben; kurz vor der Geburt dreht es sich um, und sobald es zur Welt kommt, richtet es sich wieder nach oben aus.

„Liegen“ bedeutet, all unsere Mochin – das Licht von Chochma, die Weisheit – zu verlieren. Auf diese Weise vollziehen wir den Übergang von einem Zustand in den nächsten. Einerseits lassen wir die vorherige Stufe vollständig hinter uns, andererseits beginnen wir bereits, die nächste Stufe aufzunehmen, die für uns zu einer völlig neuen Welt wird. Mit dieser inneren Schau beginnen wir zu verstehen, was „morgen“ bedeutet – nämlich jene höhere Stufe, in die wir eintreten.

Dieser Zustand hat nichts mit den Träumen unserer Welt zu tun. Vielmehr beschreibt uns die Tora hier den Eintritt in eine höhere Stufe. Im Traumzustand sehen wir uns selbst in weiterentwickelten Formen, wir erkennen, wie wir Eigenschaften wie den Oberschenk, den Oberbäcker oder den Pharao nutzen können, und wir können mit ihnen voranschreiten, weil sie bereits in uns angelegt und geformt sind.

Am Ende, als Joseph wegen der Frau Potifars ins Gefängnis geworfen wird, entdeckt er in sich die Eigenschaften des Schenks und des Bäckers. Gerade weil er die Eigenschaft des Bäckers „tötet“ und die des Mundschenks stärkt, gelangt er schließlich in das Haus des Pharao.

Im Laufe der Generationen begegnet uns immer wieder der Hass zwischen Brüdern – zwischen Kain und Abel, zwischen Isaak und Ismael, zwischen Jakob und Esau. Dieser Hass wird als Klipa (Schale/Hülle) und Kedusha (Heiligkeit) bezeichnet. In diesem Abschnitt treffen wir auf zwölf Brüder, die Söhne Jakobs, die jeweils innere Eigenschaften des Menschen darstellen. Doch der Hass unter ihnen ist so groß, dass sie bereit sind, die Eigenschaft namens „Joseph“ zu töten.

Doch der Hass richtet sich ausschließlich gegen Joseph. Die Brüder verstehen einander. Jeder von ihnen verkörpert eine andere Eigenschaft in uns. Wir besitzen viele verschiedene Eigenschaften, doch wir wissen nicht, wie wir sie in der mittleren Linie miteinander verbinden sollen. Wir verstehen nicht, wie wir all diese unterschiedlichen Kräfte gemeinsam einsetzen können – also wie wir mit unserem Ego, unserem Verlangen zu empfangen, richtig arbeiten sollen.

Das Interessante an Joseph ist, dass er seinen Brüdern sagt: „Ein Mensch hat ein egoistisches Verlangen, nicht die Eigenschaften des Gebens, die ihr besitzt. Das heißt, ich kann eure Eigenschaften mit dem egoistischen Verlangen verbinden; ich weiß, wie das geht.“ Deshalb weiß jeder von ihnen, der eine bestimmte Eigenschaft repräsentiert, dass er durch das Geben etwas erreichen kann – sei es durch die rechte oder die linke Seite, durch Chessed, Gwura, Tiferet, Nezach oder Hod, nur nicht durch Jessod.

„Die gesamte Struktur der zwölf Brüder, der zwölf Söhne Jakobs, besteht darin, dass sie alle über dem Ego arbeiten, über dem Verlangen zu empfangen, indem sie geben, um zu geben. Das ist so, weil die mittlere Linie, Jakob, die noch zum Kopf, zur Stufe der Erzväter gehört, all die Eigenschaften der Brüder hervorbringt, außer jene von Joseph. Und auch sie alle befinden sich im Geben, von unten nach oben.“


Fragen und Antworten

Warum liebte Jakob Joseph?

Jakob liebte Joseph, weil Joseph eine Fortsetzung seiner selbst war. Beide gehören zur mittleren Linie – Jakob in Tiferet und Joseph in Jessod.

Was bedeutet es, dass jeder Bruder eine bestimmte Eigenschaft repräsentiert?

Die zwölf Söhne Jakobs stehen für Eigenschaften, die mit dem Geben verbunden sind. Genau genommen sind es elf, denn Joseph besitzt keine eigene, einzelne Eigenschaft – er ist die Summe all dieser Qualitäten.

Die Bedeutung der Eigenschaft Joseph in uns besteht darin, dass wir all diese Eigenschaften nehmen, sie in verschiedenen Kombinationen verbinden und sie mit unserem Ego zusammenwirken lassen können. Mit anderen Worten: Wir können beginnen, mit dem Ego so zu arbeiten, dass es diese Qualitäten unterstützt und mit ihnen kooperiert. Auf diese Weise können wir uns selbst korrigieren. Die übrigen Eigenschaften verstehen nicht, wie es möglich sein kann, zu „stehlen“, um zu geben – also das Ego für den Zweck des Gebens einzusetzen.

Was ist eine Eigenschaft? Ist Stehlen eine Eigenschaft? Sind Zorn und Faulheit Eigenschaften?

Chessed zum Beispiel ist die Eigenschaft des Gebens. In einem Zustand von Chessed befindet sich ein Mensch in Chassadim (Barmherzigkeit). Ein solcher Mensch gibt, unterstützt und tut alles, was er kann.

Hier stellt sich die Frage: Wie kann sich das Ego mit der Eigenschaft des Gebens verbinden?
Ein Mensch kann geben – aber nur, wenn er dadurch selbst etwas gewinnt. Genau auf diese Weise wird Joseph in Ägypten eingesetzt, zuerst im Haus Potifars und später bei Pharao.

Joseph bringt ihnen die Eigenschaft von Chassadim, und sie nutzen sie. Ägypten wird durch Joseph reich und blühend, weil alle Egoisten verstehen, dass Geben jedem egoistisch zugutekommt.

Die Eigenschaften des Gebens selbst können jedoch nicht nachvollziehen, wie man das Ego nutzen kann, um sie zu unterstützen. Darin liegt der Gegensatz bei Abraham und Isaak, die Ismael liebten: Eine reine Eigenschaft kann ihre makellose Form nicht bewahren und sich zugleich mit Malchut, dem Verlangen zu empfangen, verbinden.

Es gibt hier einen sehr besonderen und komplexen Prozess von Hass und Missverständnissen zwischen ihnen. Doch Joseph ist in der Lage, die Eigenschaften des Gebens mit dem Verlangen zu empfangen zu verbinden, sodass am Ende sogar die gebenden Eigenschaften davon profitieren. Die Brüder, also die Eigenschaften des Gebens in uns, verstehen nicht, wie so etwas möglich sein kann, und lehnen es deshalb ab. Auch wir selbst verstehen zunächst nicht, wie das funktionieren soll.

Die Weisheit der Kabbala lehrt uns, wie wir die Eigenschaften des Gebens richtig einsetzen können, um unser Ego zu korrigieren. Außer der Kabbala beschäftigt sich niemand damit, denn nur sie verfügt über die Methode der drei Linien. Alle Religionen, Glaubensrichtungen und spirituellen Methoden stehen scheinbar über dem Ego; wir tun so, als würden wir uns über das Ego erheben, als wären wir nicht selbstbezogen und nur im Geben.

Bedeutet das, dass das „Ich“ zwischen den beiden Linien lebt?

Ja, aber nur die Eigenschaften von Joseph und Jakob tun das. Jakob befindet sich als mittlere Linie im Kopf, also im Bereich der Entscheidungen und der Lenkung. Joseph hingegen steht am Ende der mittleren Linie, am Eingang zu Malchut, denn er entspricht der Sefira Jessod.

In Joseph gibt es von Anfang an eine Verbindung zum Haus des Pharaos und später auch zum Pharao selbst. Genau deshalb wird er missverstanden: Die Brüder können nicht begreifen, was er vorhat. Sie glauben, sein Kontakt mit dem Ego, dem Verlangen zu empfangen, würde ihnen und ihrem Weg schaden.

Wir sind innerlich ganz ähnlich aufgebaut, sowie die gesamte menschliche Gesellschaft. Man kann deutlich sehen, dass die ganze Welt die Weisheit der Kabbala ablehnt. Niemand versteht, was sie bewirkt oder welchem Zweck sie dient, denn Kabbala beschäftigt sich mit etwas Ungewöhnlichem: mit der Korrektur des Menschen, mit der Korrektur der Seele.

Es erscheint unvorstellbar, die erhabenen Eigenschaften, das Geben und die Göttlichkeit, mit dem Ego zu verbinden, mit den niedrigsten Verlangen, mit Neid, Diebstahl, Lust oder sogar den schlimmsten egoistischen Regungen. Genau deshalb aber heißt diese Methode „Weisheit der Kabbala“ (hebräisch: Empfang): Sie lehrt uns, wie wir gerade das ausgeprägteste Ego nutzen können, um durch dessen Umwandlung zur Liebe zu gelangen.

Keine andere Methode kann die Korrektur des Menschen erreichen, den Zustand von „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Deshalb vergessen alle dieses Gebot der Tora und befassen sich nicht wirklich damit. Nur die Weisheit der Kabbala korrigiert uns. Wir müssen bedenken, dass alle, die „über“ dem Ego arbeiten – alle Religionen und Glaubenssysteme – nicht verstehen, wie das menschliche Ego tatsächlich korrigiert werden kann. Deshalb begnügen sie sich mit äußeren Handlungen, ohne in das Ego einzutauchen und es wirklich zu korrigieren. Sie befassen sich nicht mit dem Wesentlichen: „Ich habe den bösen Trieb erschaffen; ich habe die Tora als Gewürz für ihn erschaffen.“

In diesem Abschnitt sehen wir zum ersten Mal, wie schwer diese Aufgabe tatsächlich ist. Von hier an wird dies der Grund für all die Zerstörungen, Verfehlungen, Schwierigkeiten in der Wüste und für all die Kriege sein. Das ungelöste Problem bleibt: Wie verbinden wir die Eigenschaften des Gebens richtig mit den Eigenschaften des Empfangens in uns, um unser Ego zu korrigieren?

Kann man daraus etwas für die heutige Welt ableiten? Schließlich ist die Welt heute dem Ego ausgeliefert. Wer ist der „Joseph“ unserer Zeit?

Die „Josephs“ von heute sind jene Menschen, die die Methode zur Korrektur des Egos besitzen – eine Methode, die durch die Höhere Kraft in die Welt kommt. Das heißt: Es sind diejenigen, die die Weisheit der Kabbala studieren. Wie es geschrieben steht: „Ich habe den bösen Trieb erschaffen; ich habe die Tora als Gewürz für ihn erschaffen“, denn „das Licht in ihr korrigiert ihn“. Die Methode dieses Lichts ist die Weisheit der Kabbala.

Doch es ist sehr schwierig, der Welt diese Methode zu erklären. Und ebenso schwierig ist es für die Menschen anzunehmen, dass es tatsächlich einen Weg gibt, das Ego zu korrigieren, den gegenseitigen Hass, die Krisen, all die Probleme, die wir erleben und die ausschließlich aus unserem Ego hervorgehen.

Joseph wurde nicht als Lehrer oder Prediger nach Ägypten geschickt; er versuchte nicht, irgendjemanden zu überzeugen. Er wurde einfach verkauft, kam nach Ägypten und vermischte sich dort mit den Menschen. Warum müssen wir heute erklären, was damals nicht erklärt wurde?

Heute müssen wir erklären, indem wir die Weisheit der Kabbala verbreiten, das „Schofar des Messias“ genannt wird. Wir müssen sie hinaus in die Welt tragen, denn gerade dadurch verbinden wir uns mit den Nationen der Welt, so wie Joseph sich mit Ägypten verband. Auf diese Weise säen wir den Samen des Gebens, durch den die Menschen allmählich den Grund für all die Schwierigkeiten verstehen werden, bis auch sie aufsteigen können.

Diese Schwierigkeiten nehmen immer weiter zu, und es gibt keinen Weg, ihnen auszuweichen, weil unser Abstieg in die Tiefe des Egoismus und unsere gesamte Entwicklung unaufhaltsam voranschreiten. Der Zustand, in dem wir uns heute befinden, ist ein Nährboden für Konflikte. Der Krieg von Gog und Magog entsteht aus genau dieser Ursache,sowie all unsere inneren und äußeren Kämpfe.

Wir stehen an einem kritischen Wendepunkt, und gerade deshalb ist dieser Tora Abschnitt heute von so großer Bedeutung und Aktualität.

Die eigentliche Ursache des Problems ist unbegründeter Hass unter Brüdern. Und genau in diesem Zustand befinden wir uns heute. Auf der einen Seite scheint es, als könnten wir nichts tun; Hass existiert zwischen den Menschen und auch gegenüber der Weisheit der Kabbala. Mehr noch: Dieser Hass wird sich sogar verstärken, denn es fällt den Menschen schwer, die Weisheit der Kabbala zu verstehen, trotz aller Erklärungen.

Auf der anderen Seite enthüllt sich gerade an diesem Punkt der wesentliche innere Konflikt in uns: die beiden Gegensätze – Seele und Körper. Man kann sie nicht voneinander trennen, und Joseph ist der Punkt, der beide verbindet.